In Ankara sind neun Mitglieder der Gefangenenangehörigenorganisation TAYAD festgenommen worden. Die Aktivist:innen hatten am Freitag versucht, vor dem Justizministerium eine öffentliche Erklärung zur Situation von zwei politischen Gefangenen abzugeben. Sibel Balaç und Gökhan Yıldırım sind seit Monaten im Hungerstreik. Damit protestieren sie gegen ihre Verurteilung „aufgrund erfundener Beweise“ und fordern ein faires Gerichtsverfahren, erklärte TAYAD.
Die im Frauengefängnis Sincan einsitzende Sibel Balaç ist eine Sonderpädagogin und Ende 2018 im Zuge der Aktion „Wir wollen unsere Arbeit zurück“, die von Entlassenen aus dem Staatsdienst ins Leben gerufen war, verhaftet worden. Der Urteilsspruch über acht Jahre Freiheitsstrafe wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der DHKC-P, die in der Türkei als Terrororganisation verfolgt wird, gründet auf den angeblichen Fund einer SD-Karte bei ihr mit „belastendem Material“. Um was es dabei konkret gehen soll, ist bis heute nicht klar. Den gesamten Prozess über tauchte die Speicherkarte kein einziges Mal auf.
Gökhan Yıldırım ist politischer Aktivist und 2018 als angeblicher „Istanbul-Leiter“ der DHKC-P und wegen den Vorwürfen Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Haftstrafe von 46 Jahren verurteilt worden. Er setzte sich gegen den staatlich geförderten Drogenkonsum im Viertel Gazi ein und geriet dabei ins Visier von Drogenbanden. Laut TAYAD habe die Polizei die Täter geschützt und gegen ihn Beweise erfunden. Sowohl Yıldırım, der im Hochsicherheitsgefängnis Tekirdağ inhaftiert ist, als auch Balaç befinden sich seit Dezember im Hungerstreik und haben ihren Protest inzwischen in ein Todesfasten umgewandelt. Bei dieser Form des Hungerstreiks nehmen die Beteiligten nur noch Wasser mit darin gelöstem Zucker und Salz sowie in manchen Fällen Vitamin-B-Präparate zu sich.
Bei den in Ankara festgenommenen Aktiven von TAYAD handelt es sich um Erkan Yıldırım (Gökhan Yıldırıms Bruder), Feridun Osmanağaoğlu, Nergis Doğru, Ömer Akyel, Merve Demirel, Ayşe Arapgirli, Taylan Sungur, Turan Akdaş und Şengül Ulus. Ihnen droht nun ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das türkische Versammlungsgesetz.