Schwere Fälle von Folter im Gefängnis Tarsus

Der IHD hat einen Bericht zu den menschenrechtsverletzenden Bedingungen im Gefängniskomplex Tarsus vorgestellt. Darin macht der Menschenrechtsverein auf systematische und schwere Folter an den größtenteils politischen Gefangenen aufmerksam.

Das in den Gefängnissen der Türkei praktizierte menschenunwürdige Foltersystem nimmt immer dramatischere Züge an. Der Menschenrechtsverein IHD beklagt insbesondere in den Haftanstalten des Gefängniskomplexes Tarsus einen drastischen Anstieg willkürlicher Rechtsverletzungen und Repressionen. Der Komplex in der südtürkischen Provinz Mersin machte bereits in der Vergangenheit wegen schlechter Behandlung von Gefangenen auf sich aufmerksam. Mittlerweile zeichne sich die Folter dort durch ein besonderes Vorgehen aus, das systematisch eingesetzt wird, um die größtenteils politischen Gefangenen mit grausamen Methoden zu peinigen, so die Zweigstelle des IHD. Der Ortsverband hat am Montag einen Bericht zu den Umständen in den drei T-Typ-Gefängnissen und einer Frauenhaftanstalt in dem Baukomplex vorgestellt. Demnach sind die Gefangenen standartmäßig Schikanen und psychischer Erniedrigung durch das Gefängnispersonal ausgesetzt. Willkürlich fänden Durchsuchungen der Zellen statt, die Anzahl der genehmigten Zeitungen und Bücher reduziere sich laufend. Regelmäßig würden Medien gänzlich verweigert. Indem der Zugang der Gefangenen zu Informationen eingeschränkt wird, soll ihre Verbindung zur Außenwelt durchtrennt werden, unterstreicht der IHD.

Der Menschenrechtsverein hält außerdem fest, dass bei Krankenhaustransporten und Fahrten zu Gerichtsterminen regelmäßig psychische Erniedrigung und körperliche Übergriffe durch Soldaten stattfinden. Systematisch seien die Gefangenen bei diesen Fahrten Verbalattacken ausgesetzt, auf deren Grundlage Protokolle verfasst würden, die letztlich für unbegründete Disziplinarstrafen herangezogen werden. Viele Gefangene würden über Monate mit willkürlichen Kontaktverboten und Isolationshaft belegt, mit denen die vorzeitige Haftentlassung verschoben oder teilweise gänzlich außer Kraft gesetzt wird. Der IHD konnte feststellen, dass Beschwerden gegen diese illegale Praxis und unverhältnismäßige Strafen von den Gerichten ausnahmslos abgelehnt werden.

„Wenn die Scham verschwindet, verschwindet auch die Menschlichkeit.“ - Hakkı Demir, IHD-Vorsitzender in Mersin

In den Haftanstalten in Tarsus komme es außerdem zur Anwendung der militärischen Zählung im Stehen und Nacktuntersuchungen bei der Ankunft oder Verlegung in ein anderes Gefängnis. Sobald sich ein Gefangener weigert, würde er vom Gefängnispersonal gewaltsam dazu genötigt, in den Hof geschleppt und menschenunwürdig behandelt, heißt es.

Die gefangenen Frauen werden bei Transporten oder Besuchszeiten immer wieder von Beamten der Vollzugsbehörde in einer an einen sexuellen Übergriff grenzenden Weise durchsucht und doppelt gefesselt. Auf Krankenfahrten würden ausschließlich männliche Begleiter eingesetzt, die Untersuchung finde in Handschellen und unter Aufsicht von Soldaten statt. Wenn die Gefangenen dies verweigern, würden sie ohne Behandlung zurückgeschickt und mit Disziplinarstrafen belegt.

Nach Angaben des IHD kommt es in Tarsus auch hinsichtlich Hofgängen, sportlichen Aktivitäten und Kontakten der Gefangenen untereinander zu massiven Verletzungen der Gefangenenrechte. Gespräche mit Mitgefangenen aus anderen Zellen seien praktisch verboten, der Hofgang, der die Möglichkeit für die Gefangenen ist, wenigstens einen Teil ihres Alltags zusammen mit anderen Gefangenen für eine festgesetzte Zeit zu verbringen, werde auf perfide Weise gestaltet. So werde sogar der Himmel über dem Gefängniskomplex mit Drahtzäunen geschützt, zudem werde regelmäßig das Licht in den Zellen abgeschaltet, lautet es in dem Bericht.

Dass sich die türkische Justiz vor dem menschenunwürdigen Foltersystem im Land erschließt, ist nicht neu. Die menschenrechtspolitischen Sprecherin der HDP-Fraktion, Ayşe Acar Başaran, nannte es eine politische Feindjustiz, die in den Gefängnissen angewandt wird und vor allem auch die kranken Gefangenen trifft. Damit wird im Grunde das Desinteresse am Recht auf Leben kundgetan. Doch solange es keinen öffentlichen Aufschrei gibt, wird sich an der Situation nichts ändern.