Das Volk wird weiterhin Rêber Apo folgen

Das kurdische Volk hat in dem jahrzehntelangen Befreiungskampf einen hohen Preis gezahlt, meint Zeki Akil. Daher wird es der klaren Haltung der PKK und Abdullah Öcalans treu bleiben.

Eine Analyse von ZEKİ AKIL

Eine Analyse des kurdischen Politikkommentators Zeki Akil zeichnet die über 50 Jahre hinweg entstandene Beziehung zwischen der kurdischen Bevölkerung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie ihrem Begründer Abdullah Öcalan nach. Diverse Gruppierungen, ob kurdische oder linke türkische, die sich – gleich auf welche Weise – mental nicht für eine Veränderung öffnen, versuchen Verwirrung zu stiften. Akil argumentiert auf Grundlage der Geschichte, dass das kurdische Volk dennoch der Linie Abdullah Öcalans und der PKK treu bleiben werde.

Die PKK ist mehr als eine Partei

Auf den Aufruf von Rêber Apo [Abdullah Öcalan, Anm. d. Red.] hin beschloss die PKK, ihre Existenz und ihren bewaffneten Kampf zu beenden. Dies war weder eine gewöhnliche noch eine leichte Entscheidung. Wir sprechen hier von einer fünfzig Jahre alten Partei und einem ununterbrochenen Kampf. Die PKK hat Zehntausende Gefallene zu beklagen. Das kurdische Volk hat einen hohen Preis bezahlt. Unter der Führung der PKK [Arbeiterpartei Kurdistans, Anm. d. Red.] gelang es dem kurdischen Volk in diesen schwierigen Jahren jedoch, sich zu behaupten und die Bühne der Geschichte zu betreten. In diesem Sinne wurde die PKK zu einer Bewegung, die sowohl selbst Geschichte schrieb als auch in die Geschichte einging.

Über diese historische Rolle hinaus hat die PKK das kurdische Volk tief geprägt. Sie hat große Veränderungen bewirkt. Die PKK wurde mehr als nur eine Partei, sie wurde zu einer politisch nationalen Identität für das kurdische Volk. Daher ist ihre Selbstauflösung nicht nur für ihre Kader:innen und Sympathisant:innen, sondern die gesamte Bevölkerung von Interesse. Eine Welle der Desorientierung oder Verwirrung blieb aus, da das Volk auf seine Leitung [Abdullah Öcalan, Anm. d. Red.] und seine Partei [PKK, And. d. Red.] vertraute. Aber es versuchte zu verstehen, was die Partei ersetzen würde, die einen so bedeutenden Platz in ihrem Leben eingenommen hatte, was als Nächstes passieren würde, und warteten gespannt auf die Erklärungen Rêber Apos.

Kontroverse Diskurse, statt steifes Beharren

Die theoretischen Durchbrüche und neuen Interpretationen des Sozialismus von Rêber Apo werden künftig weltweit breit diskutiert werden. Seine Interpretationen von Geschichte und Gesellschaft, der Entstehung des Staates und der sozialen Klassen gehen über bekannte Rahmenbedingungen hinaus. In dieser Hinsicht finden sie Resonanz bei sozialwissenschaftlich Forschenden. Beim Verständnis und der Interpretation werden Probleme entstehen; es wird Kritik kommen. Das ist normal. Neue Ideen werden nicht sofort akzeptiert, und mentale Paradigmen ändern sich nicht über Nacht. Rêber Apo selbst unterstützt die Diskussion und die Durchdringung seiner Ansichten. Er begründet seine Ideen mit historischen und sozialen Grundlagen und glaubt an ihre Wahrheit.

Die Erfahrung des kurdischen Volkes aus 50 Jahren Zusammenarbeit mit der PKK und Rêber Apo, macht es selbstbewusster. Weil es seiner Leitung vertraut und an sie glaubt, schwankt es nicht. Es besteht jedoch die Herausforderung, den Prozess zu verstehen und sich entsprechend zu positionieren. In seiner Wahl und im Schutz seiner Errungenschaften ist das kurdische Volk entschieden; in dieser Hinsicht gibt es kein Vakuum. Es gibt jedoch Kreise, die nicht wissen, wie sie auf den neuen Prozess reagieren sollen, und die nicht bereit sind, ihre derzeitige Haltung zu ändern.

Die Apocî gingen immer schon neue Wege

Die anstehenden Veränderungen werden linke Kreise in der Türkei am meisten betreffen. Einige begrüßen und unterstützen sie. Einige versuchen, sie zu verstehen und sie zu verfolgen. Aber diejenigen, die die Dinge durch etablierte Muster betrachten und sich entsprechend der bestehenden Linien positionieren, werden Schwierigkeiten haben. Das ist verständlich. Revolutionäre Bewegungen in der Türkei hatten keine tiefgreifenden und umfassenden Analysen zu Kurdistan. Sie sahen das Thema als Teil der sozialistischen Revolution. Daher lehnten sie eine separate Organisation der Kurd:innen ab. Als die Apocî [Gruppe um Abdullah Öcalan, Anm. d. Red.] auftauchten, stellten sie die These „Kurdistan ist eine Kolonie” auf. Die meisten sozialistischen und linken Bewegungen verstanden oder akzeptierten dies lange Zeit nicht. Es gab damals einen scharfen ideologischen Kampf mit Spannungen und Zusammenstößen.

Auch reformistische Gruppen in Kurdistan hatten Schwierigkeiten, die Apocî zu verstehen und zu akzeptieren. Auch mit ihnen gab es einen intensiven ideologischen Kampf. Die Apocî waren stets Vorreiter:innen auf neuen Wegen in Leben, Arbeit und Denken und zeigten damit ihre Besonderheit. Parteien wie die PDK und ihre Verbündeten akzeptierten die sozialistische, revolutionäre Führung der Apocî nicht. Sie nahmen eine feindselige Haltung ein. Der Widerstand der PKK im Gefängnis gegen den Putsch vom 12. September (1980) und ihre Haltung gegen den Faschismus überraschten sie. In gewisser Weise wurden sie selbst damit wirkungslos und blieben in einem Vakuum zurück. Als 1984 der Guerillakrieg begann, waren sie schockiert. Linke Kreise und kurdische Reformist:innen waren ebenso schockiert wie der Staat. Einige gerieten in Panik. Da die Türkei auf Wahlen zusteuerte und sich im Übergang zur Zivilregierung befand, schrien viele, die PKK gefährde diesen Prozess.

Wer bis gestern gegen den Guerillakrieg war, kritisiert heute sein Ende

Viele Gruppen sind dem Guerillakrieg bis heute weder mit Unterstützung noch mit Zustimmung begegnet. Sie vermieden eine Einheit und Allianz mit der PKK. Selbst die von Rêber Apo mit großem Aufwand geschaffenen Allianzen hielten nicht lange. Sie blieben Beobachter:innen, denn sie positionierten sich nicht in Opposition zum Staat. Einige Gruppen sahen den bewaffneten Kampf als falsch an und betrieben Antipropaganda. Im Allgemeinen haben sie sich auf irgendeine Weise in das System eingefügt, Familien gegründet und versucht, ihr Leben zu sichern. Interessanterweise verhalten sich diejenigen, die früher gegen die Guerilla und den Krieg waren, heute eher wie Guerillakämpfer:innen als die PKK selbst und starten mit der Frage „Warum beendet ihr den Krieg?“ einen Angriff. Die PKK hat jahrzehntelang gekämpft. Diejenigen, die all die Jahre nicht gehandelt oder Widerstand geleistet haben, werfen der PKK nun Liquidierung und Kapitulation vor. Unterdessen greifen die Speichellecker der PDK die PKK und ihre Führung an, als hätten sie selbst tapfer gekämpft und Widerstand geleistet.

Das kurdische Volk wird seine Errungenschaften nicht gefährden

Das kurdische Volk in allen vier Teilen [Kurdistans, Anm. d. Red.] und in der Diaspora wurde von Rêber Apo und der PKK geprägt und beeinflusst und entwickelte einen Patriotismus. In gewisser Weise wurde das kurdische Volk im Widerstand und mit seiner Kultur geschaffen. Daher werden sie jenen, die Verwirrung und Pessimismus verbreiten, keinen Glauben schenken. Fünfzig Jahre lang sind die Menschen mit der PKK gegangen und haben an Identität und Macht gewonnen, aus den aktuellen Geschehnissen werden sie nun noch stärker hervorgehen. Das Volk wird nicht denen folgen, die hierhin und dorthin geworfen werden, sondern sich weiterhin um Rêber Apo versammeln.

Der hier erschienene Text wurde für die Zeitung Yeni Özgür Politika verfasst. Die türkische Übersetzung kann unter folgendem Link gelesen werden: https://www.ozgurpolitika.com/haberi-degisimlere-hazir-olmayanlar-kaybederler-201572