Samstagsmütter erinnern an Ayşenur Şimşek

Die Samstagsmütter haben in Istanbul die Bestrafung der Mörder von Ayşenur Şimşek gefordert. Am 24. Januar 1995 wurde die Apothekerin von der Konterguerilla entführt, gefoltert und schließlich ermordet. Die Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen.

Die Initiative der Samstagsmütter ist zum 774. Mal in Istanbul zusammengekommen, um gegen die staatliche Praxis zu demonstrieren, Menschen in Gewahrsam zu ermorden und die Leichen verschwinden zu lassen, sowie eine Bestrafung der Täter zu fordern. Seit 2018 wird der angestammte Platz vor dem Galatasaray-Gymnasium im Stadtteil Beyoğlu jeden Samstag von der Polizei abgeriegelt, um die Aktion der Samstagsmütter zu unterbinden. Die Kundgebung wurde daher wieder in einer kleinen Seitenstraße vor der Istanbuler Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD abgehalten.

Thematisiert wurde heute das Schicksal von Ayşenur Şimşek. Die Apothekerin wurde am 24. Januar 1995 in Ankara von der Konterguerilla verschleppt. Trotz aller Bestrebungen und reichlich gestellter Gesuche gab es von offizieller Seite keinen Hinweis zu ihrem Verbleib. Die Sicherheitsbehörden erkannten ihre Festnahme nicht an, obwohl gegen sie ein Haftbefehl vorlag.

Leiche wird auf Friedhof für Unbekannte beigesetzt

Vier Tage nach ihrer Entführung fand man Ayşenur Şimşeks entstellte Leiche im etwa hundert Kilometer entfernten Kırıkkale an einem Straßenrand. Die Behörden beerdigten sie jedoch auf dem „Friedhof der Namenlosen“, obwohl ihre Identität hätte festgestellt werden können, da sie zuvor im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung Fingerabdrücke abgeben musste. Drei Monate nach ihrem gewaltsamen Tod tauchte in der türkischen Tageszeitung „Milliyet“ plötzlich eine Kurzmeldung auf, in der vom Fund einer Frauenleiche in Kırıkkale die Rede war. Nur ein Zufall? Einige Wochen zuvor hatten die Angehörigen von Ayşenur Şimşek im Rahmen einer Presseerklärung den Startschuss einer landesweiten Suchaktion gegeben. Nach dem Zeitungsbericht wandten sie sich an die Staatsanwaltschaft von Kırıkkale und erfuhren, dass es sich bei der „Unbekannten“ tatsächlich um die vermisste Ayşenur Şimşek handelte.

Obduktionsbericht: Einschüsse in Kopf, Brust und Kinn

Ayşenur Şimşek wurde 1968 in Ankara geboren. Dort studierte sie Pharmazie. Seit Anfang der 1990er engagierte sie sich zudem für die gewerkschaftliche Organisierung von Arbeitnehmer*innen des Gesundheitssektors und war später Vorsitzende der Zweigstelle der Sağlık-Sen (Gewerkschaft im Gesundheitswesen). Wegen ihres Kampfes für den Ausbau gewerkschaftlicher Strukturen in Ankara geriet sie ins Visier des türkischen Staatsapparates. Mehrfach wurde sie mit dem Tod bedroht. Von ihrem Kampf ließ sie sich aber nicht abbringen.

Der Zustand der Leiche von Ayşenur Şimşek stellte eine neue Stufe in der Politik des Verschwindenlassens dar. Im Obduktionsbericht hieß es, dass Einschüsse in Kopf, Brust und Kinn festgestellt wurden. Außerdem wies ihr Körper zahlreiche Folterspuren auf. Ayşenur Şimşek starb am 28. Januar 1995. Ihre Mörder sind noch immer frei.