Protest gegen Ertrinkenlassen vor der libyschen Küste

Trotz Hinweisen der Organisation Alarmphone sind bis zu 130 Menschen durch unterlassene Hilfeleistung im Mittelmeer ertrunken. In Hamburg ist gegen das Sterbenlassen der Geflüchteten auf See protestiert worden.

In Wut und Trauer um die Toten im Mittelmeer ist in Hamburg gegen das Sterbenlassen von Geflüchteten auf See protestiert worden. Seit Donnerstag gibt es die Gewissheit, dass erneut bis zu 130 Menschen vor der Küste Libyens ertrinken mussten. Nach Angaben der Hilfsorganisation Alarmphone, die seit dem ersten Notruf am Mittwochmorgen mit den Schiffbrüchigen in Kontakt war, wussten die EU-Behörden und Frontex von dem Boot, verweigerten aber die Rettung. Als die private Rettungsorganisation SOS Méditerranée an der Unglücksstelle eintraf, seien nur noch Tote im Meer getrieben.

„Die Menschen hätten gerettet werden können, aber alle Behörden haben sie wissentlich dem Tod auf See überlassen. Alarmphone war am 21. April über einen Zeitraum von zehn Stunden mit dem in Seenot geratenen Boot in Kontakt und hat wiederholt dessen GPS-Position und die katastrophale Situation an Bord an die europäischen und libyschen Behörden sowie an die breite Öffentlichkeit weitergegeben. Die einzige Maßnahme, die ergriffen wurde, war der Start eines Überwachungsflugzeugs von Frontex, sieben Stunden nach dem ersten Alarm, das das Boot fand und alle Behörden und Handelsschiffe in der Gegend über die kritische Notsituation informierte.

Obwohl Frontex das in Seenot geratene Boot aus der Luft erspähte, suchten nur nichtstaatliche Akteure aktiv. Die europäischen Behörden lehnten die Verantwortung für die Koordinierung dieser Suchaktion ab und verwiesen stattdessen auf die libyschen Behörden als die ‚zuständigen‘ Behörden. Die sogenannte libysche Küstenwache weigerte sich jedoch, eine Rettungsaktion zu starten oder zu koordinieren und ließ die 130 Menschen eine ganze Nacht lang auf rauer See zurück.

Der letzte Kontakt zu den verzweifelten Menschen in Not war um 20.15 Uhr am 21. April. Trotz ihrer unermüdlichen Bemühungen, das Boot zu suchen, kamen das NGO-Such- und Rettungsschiff Ocean Viking von SOS Méditerranée und drei Handelsschiffe zu spät. Am 22. April konnten sie nur noch Reste des Bootes und leblose Körper finden“, berichtete eine Sprecherin von Alarmphone den Teilnehmenden der Kundgebung am Hamburger Karolinenplatz.

Alarmphone ist ein selbstorganisiertes Call-Center für Geflüchtete, eine Notrufnummer gegen das Sterbenlassen auf See. Betroffene erhalten die Möglichkeit, ihren Hilferuf an die Küstenwachen zu tragen. In Echtzeit wird ein Fall dokumentiert und weitere Unterstützung mobilisiert. Auf diese Weise wird – soweit wie möglich – auf die jeweiligen Verantwortlichen Druck ausgeübt zu helfen und Menschenrechtsverletzungen wie Pushbacks zu verhindern.

Man lässt sie wissentlich ertrinken

Eine Rednerin von SOS Méditerranée las den Bericht von Luisa Alberta, einer an der Suche beteiligten Rettungskoordinatorin, vor: „Wir haben nacheinander nach zweien dieser Booten gesucht, in einem Wettlauf gegen die Zeit und bei sehr rauer See mit bis zu sechs Meter hohen Wellen. Es gab keinerlei Koordination mit einer staatlichen Rettungsleitstelle, keinerlei Unterstützung von den zuständigen Seebehörden. Das einzige, was die Crew der Ocean Viking fand, waren die Reste eines Gummibootes und zehn Leichen von Menschen, die auf dem Weg nach Europa waren.“ Der eigene Kommentar der Rednerin lautete: „Wäre dort ein Flugzeug abgestürzt, hätte die ganze Welt nach den Überlebenden gesucht. Aber die Menschen aus Libyen lässt man wissentlich ertrinken.”

Fotos: niloc