Vergangenen Monat wurden rund 450 Schutzsuchende, die nach Öffnung der Grenze durch die Türkei auf der griechischen Insel Lesbos ankamen, zehn Tage lang unter unmenschlichen Bedingungen im Rumpf eines Marineschiffs im Hafen von Mytilini festgehalten – darunter Familien, Frauen und Kinder. Am 14. März wurden sie in ein geschlossenes Abschiebelager nördlich von Athen gebracht. Zuvor hatte die griechische Regierung beschlossen, Asylverfahren vorerst für einen Monat lang auszusetzen und eine sofortige Rückführung aller einreisenden Flüchtlinge in ihr Herkunftsland oder ein Transitland (sprich die Türkei) zu veranlassen – ein Verstoß nicht nur gegen die Menschenrechte, sondern auch internationales und europäisches Recht.
Mittlerweile können in Griechenland zwar wieder Asylanträge gestellt werden. Von diesem Recht werden allerdings mehr als 2000 Menschen in den provisorischen Abschiebegefängnissen, die erst vor Kurzem die Grenze überquert haben, ausgenommen. Darunter auch jene Schutzsuchende, die auf dem Kriegsschiff festgehalten wurden. Die Menschenrechtsorganisationen Pro Asyl und Refugee Support Aegean (RSA) klagen jetzt mit 20 Betroffenen durch alle Instanzen.
„Niemand darf zurückgelassen werden! Das gilt für alle Flüchtlinge auf den griechischen Inseln. Und das gilt auch für die völlig entrechteten Schutzsuchenden, die von einem Militärschiff im Hafen von Mytilini in das Haftlager Malakasa geschafft wurden”, fordern Pro Asyl und RSA. Einem Team der Organisationen war es demnach gelungen, in Kontakt mit einigen Eingesperrten zu kommen und das Mandat zu erhalten, für ihre Rechte einzutreten.
„Während der Corona-Ausgangsbeschränkungen auch in Griechenland ist der humanitäre und rechtliche Beistand noch schwieriger, aber umso dringlicher, denn gerade in den Flüchtlingscamps sind die Bedingungen so katastrophal, dass Krankheiten sich rasend schnell verbreiten können”, warnen die Organisationen.
Das Legal Team kämpfe jetzt um die Freilassung der Familien mit Kindern aus Afghanistan und Syrien. „Wir kämpfen auch darum, dass die beiden hochschwangeren Syrerinnen – im achten und neunten Monat – unverzüglich in Sicherheit gebracht werden. Dass die alleinfliehende Frau aus Syrien endlich ein Schutzgesuch stellen kann und eine menschenwürdige Aufnahme findet.”
Pro Asyl und RSA vertreten auch zwei alleinfliehende syrische Jungen (elf und zwölf Jahre) vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die Anwältinnen Marianna Tzeferakou und Eleni Velivasaki haben am 30. März 2020 einen sogenannten Antrag auf vorläufige Maßnahmen (»Rule 39«) in Straßburg gestellt: „Diese zwei Jungen müssen sofort freigelassen und kindgerecht untergebracht werden! Sie haben Verwandte in Deutschland – wir wollen im Einklang mit geltendem EU-Recht sicherstellen, dass die beiden Jungen gesund und sicher zu ihren Familienangehörigen nach Deutschland gelangen.”
In Malakasa herrschten menschenunwürdige Haftbedingungen – noch schlimmer sei es für die beiden Jungen, die dort unter Erwachsenen leben. Seit einem Monat wurden nach Angaben von Pro Asyl keine Maßnahme von den verantwortlichen Behörden im Sinne des Kinderschutzes ergriffen und auch kein Vormund bestellt. Wie alle anderen Inhaftierten in Malakasa hätten auch die syrischen Minderjährigen keinen Zugang zu sanitären Produkten oder zumindest zu durchgängiger Wasserversorgung.
„Der Menschenrechtsgerichtshof hat am Montag, den 31. März 2020 der griechischen Regierung einen umfangreichen Fragekatalog übermittelt, den diese bis zum 6. April 2020 beantworten müssen. Die harten und präzisen Fragen des Gerichtshofes spiegeln exakt den Vortrag unserer Anwältinnen wider. Es ist jedoch bedauerlich, dass der Gerichtshof nochmals wertvolle Zeit – sechs Tage – verstreichen lässt, anstatt die unmittelbare Freilassung der Kinder zu veranlassen.”