Die griechische Gewerkschaft der Polizei protestiert gegen die prekäre Lage für Schutzsuchende auf den griechischen Grenzinseln. In einem offenen Brief prangern ausgerechnet Mitglieder der Polizeigewerkschaft von den Insel Lesbos, Chios, Samos sowie den nördlichen und südlichen Inseln der Dodekanes „die für die Menschenrechte und die öffentliche Gesundheit inakzeptable Situation” an. Erstmals wird dadurch der zahlenmäßige Umfang der menschenrechtswidrigen Behandlung von Flüchtlingen auf den griechischen Inseln öffentlich.
Griechenland hatte das Asylrecht am 1. März für einen Monat ausgesetzt, nachdem die Türkei Ende Februar angekündigt hatte, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen. Deshalb kommen Neuankömmlinge auf den Inseln seit dem 1. März nicht in die – bereits vielfach überfüllten – lokalen Hotspots, sondern in geschlossene Bereiche im Hafenbereich. Allein vor der Insel Lesbos werden 450 Schutzsuchende seit Tagen auf einem griechischen Marineschiff festgehalten – ein klarer Verstoß gegen europäisches und internationales Recht.
Die deutsche Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, die angesichts der menschenunwürdigen Verhältnisse an der griechischen Land- und Seegrenze bereits seit Wochen die sofortige Evakuierung aller Flüchtlinge von den griechischen Inseln fordert, hat eine Übersetzung des Protestschreibens der griechischen Gewerkschaft der Polizei veröffentlicht (Original publiziert bei STO NISI am 13. März 2020):
„Derzeit sind a) in Mytilene 502 irregulär eingereiste Ausländer, Familien und Kinder auf einem Transportschiff der griechischen Marine untergebracht; b) in Chios sind seit dem 1. März bisher 258 Personen irregulär eingereist. Davon sind 136 Personen auf einem kommunalen Grundstück mit nur einer Toilette intergebracht und weitere eingereiste 122 Personen im offenen Bereich des Hafens von Chios; sie übernachten in Bussen, es wurden 2 chemische Toiletten aufgestellt; c) Auf Samos wurden 93 irregulär eingereiste 93 Ausländer in einer Halle des Hafenamts ohne Toilette und Wasserversorgung untergebracht; d) Auf Rhodos befinden sich 38 irregulär eingereiste Ausländer in örtlichen Polizeizellen; e) In Symi befinden sich 21 irrregulär eingereiste Ausländer auf dem Balkon der Polizeibehörde; f) in Kastelorizo mit 400 Einwohnern sind seit dem 1. März 100 irregulär eingereiste Ausländer angekommen, für die es an jeglicher Infrastruktur mangelt; g) In Kos befinden sich 150 irregulär eingereiste Ausländer in einer Wartehalle für Passagiere im Hafen mit 2 Toiletten und h) auf Leros befinden sich 252 irregulär eingereiste Ausländer in einem Schuppen im Hafen der Insel mit 2 chemischen Toiletten“.
Den Geflüchteten droht aktuell nun die Zurückschiebung in die Türkei, denn noch bis zum 31. März gilt, dass Flüchtlinge keine Asylanträge mehr stellen dürfen, sondern umgehend zurückgebracht werden sollen.
„Griechenland setzt den Rechtsstaat außer Kraft, und es geht kein Sturm der Empörung durch Europa. Die Innenminister der EU schweigen lautstark und decken damit, dass elementare Rechte außer Kraft gesetzt werden,“ sagte Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Das ist ein fundamentaler Angriff auf die Säulen unserer Demokratie, ein menschenrechtlicher Dammbruch. Europa schaut zu und kaschiert dieses Totalversagen als Koalition der Willigen, die sich nun rühmt, 1.500 Flüchtlingskinder aufnehmen zu wollen.“
Pro Asyl geht mit seiner Partnerorganisation Refugee Support Aegean (RSA) vor Ort gegen dieses Unrecht an. „Wir haben trotz der Isolierung der Flüchtlinge auf dem Kriegsschiff bereits Mandate von dreizehn Inhaftierten, um für ihre Rechte zu kämpfen. Wir werden durch alle Instanzen – bis hin zum Europäischen Gerichtshof – gehen, um die Inhaftierten zu schützen. Das Asylrecht darf nicht außer Kraft gesetzt werden. Die Menschenwürde ist unantastbar.“