Libyen: Sexualisierte Gewalt an Schutzsuchenden

In den Gefangenenlagern für Schutzsuchende in Libyen herrschen sexualisierte Gewalt, Hunger und Misshandlungen. Exemplarisch für die Situation in den Lagern steht die Situation von fünf Mädchen im staatlichen Detention Center al-Zawiya.

Die EU hat Libyen zu einem vorgelagerten Bollwerk gegen Schutzsuchende aufgebaut. Durch die Unterstützung der sogenannten libyschen Küstenwache und anderer libyscher Milizen werden Schutzsuchende in dem Bürgerkriegsland festgehalten oder zur Ausreise in ihre Herkunftsländer gezwungen. Die EU nimmt dabei Folter, Misshandlung, sexualisierte Gewalt bis hin zu extralegalen Hinrichtungen offensichtlich in Kauf. Staatliche Gefängnisse sollen dabei die „bessere Alternative“ zu „Privatgefängnissen“ von Milizen darstellen. Eine Recherche von AP beleuchtet exemplarisch das Schicksal von fünf Frauen und Mädchen in Libyen und wirft ein deutliches Licht auf die Situation in den Detention Centers der libyschen Regierung.

Eine der Betroffenen ist ein 17-jähriges somalisches Mädchen, das mehr als zwei Jahre lang von Menschenhändlern gefangen gehalten und missbraucht worden ist. Nach ihrer Befreiung durch libysche „Sicherheitskräfte“ glaubte sie, ihr Martyrium sei beendet. Stattdessen wurde sie wie in Libyen üblich wegen „illegaler Einreise“ inhaftiert und nur die Vergewaltiger wechselten. Sie wird nun von den staatlichen Wärtern in einem sogenannten Detention Center in Tripolis systematisch missbraucht. Über ein eingeschmuggeltes Handy erklärte sie gegenüber AP: „Es ist zwar nicht das erste Mal, dass ich sexualisierte Gewalt erleide, aber dieses Mal ist es noch schmerzhafter, da sie von den Leuten kommt, die uns beschützen sollten. Man muss etwas als Gegenleistung anbieten, um auf die Toilette zu gehen, um die Familie anzurufen oder um Schläge zu vermeiden. Es ist, als ob wir von Menschenhändlern festgehalten würden.“ Das Mädchen berichtet explizit von ihren sexualisierten Gewalterfahrungen durch die Wärter. Auch die anderen vier jungen Frauen im Alter von 16 bis 18 Jahren wurden zum Ziel schwerer sexualisierter Gewalt. Menschenrechtsorganisationen bemühen sich seit Wochen, um die Freilassung der fünf in Shara al-Zawiya inhaftierten Mädchen. „Das machen sie jeden Tag. Wenn du dich wehrst, wirst du geschlagen oder dir wird alles weggenommen“, erklärte ein 16-jähriges Mädchen gegenüber AP.

EU subventionierter Missbrauch

Sie ist eines von fünf somalischen Mädchen, die in Shara al-Zawiya festgehalten werden, einem Netzwerk von Haftzentren, das von Libyens Abteilung für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung (DCIM) betrieben wird. Die DCIM erhält hohe Unterstützungen aus dem EU-Trustfond für Afrika für die Verhinderung „irregulärer Migration“. Der Missbrauch von Schutzsuchenden ist sowohl im „Privatsektor“ als auch im staatlichen Sektor weitverbreitet. Menschenrechtsorganisationen und der UNHCR stellten fest, dass sexualisierte Gewalt auch in staatlichen Einrichtungen verbreitet sind. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat Hunderte von Fällen dokumentiert, in denen Frauen vergewaltigt wurden, während sie in DCIM-Haft oder in Gefängnissen von Menschenhändlern waren. Laut Vincent Cochetel, dem UNHCR-Sonderbeauftragten für das zentrale Mittelmeer, sind Mädchen und Frauen durch Vergewaltigung schwanger geworden und haben während der Haft entbunden.

Titelfoto: Screengrab / InfoMigrants