Der politische Gefangene Heidar Ghorbani ist vom iranischen Regime hingerichtet worden. Nach Angaben seiner Angehörigen wurde er am Sonntag im Todestrakt des Gefängnisses in Sine (Sanandaj) gehängt. Der 48-jährige Kurde aus einem Dorf in Kamyaran war wegen „bewaffneter Rebellion gegen den Staat“ (baghi) zum Tode verurteilt worden, obwohl das Untersuchungsgericht bestätigte, dass er nie bewaffnet war. Sein Schuldspruch stützt sich auf „Geständnisse", die unter Folter erzwungen wurden, während er Opfer des Verschwindenlassens war.
Laut Ghorbanis Rechtsanwalt Saleh Nikbakht hätten es die iranischen Behörden unterlassen, auf die bevorstehende Vollstreckung des Todesurteils hinzuweisen. Gegenüber der kurdischen Menschenrechtsorganisation KHRN äußerte der Jurist: „Nach langer Zeit rief mich Heidar Ghorbani gestern um 19:53 Uhr [Ortszeit] aus dem Gefängnis von Sanandaj an. Er hoffte immer noch, dass sein Todesurteil aufgehoben würde und hatte keine Ahnung, dass er hingerichtet werden könnte. Das Urteil wurde heimlich vollstreckt, ohne ihn, seine Familie und mich als Anwalt in dem Fall zu informieren.“
Heidar Ghorbani | Foto: KHRN
Heidar Ghorbani wurde im Oktober 2016 durch Angehörige des Geheimdienstministeriums festgenommen und in verlängerter Einzelhaft gehalten. Drei Monate lang galt er als verschwunden. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurde er in dieser Zeit wiederholt gefoltert, um ein auf Video aufgezeichnetes „Geständnis“ abzugeben, das noch vor seinem Gerichtsverfahren im März 2017 im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Ihm wurde während der Ermittlungen der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert und während des Verfahrens erhielt sein Anwalt keinen vollumfänglichen Zugang zu den Gerichtsakten. Im Oktober 2019 verurteilte ein Strafgericht Ghorbani wegen Beihilfe zu Mord, versuchter Entführung und Fluchthilfe zu insgesamt 118 Jahren und sechs Monaten Gefängnis.
Im Januar 2020 wurde Ghorbani schließlich von einem Revolutionsgericht in Sine im Zusammenhang mit der Tötung von drei Männern zum Tode verurteilt. Berichten zufolge gehörten diese Männer dem Basidsch-e-Mostazafin-System an; vom iranischen Geheimdienst organisierten Paramilitärs, ähnlich dem türkischen Dorfschützersystem, die allerdings von Peschmerga der PDK-I (Demokratische Partei Kurdistans-Iran) getötet wurden. Im Urteil räumte das Gericht ein, dass Ghorbani zu keiner Zeit bewaffnet gewesen war, berief sich dennoch auf das unter Folter erlangte „Geständnis“. Demnach habe er die Täter unterstützt, indem er sie zum Tatort fuhr und dort wieder abholte. Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Todesurteil noch im selben Jahr. Im August wurde ein Antrag auf gerichtliche Überprüfung zurückgewiesen, ein zweiter war noch anhängig.
Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen hatten das Regime in Teheran aufgefordert, die Hinrichtung von Heidar Ghorbani zu stoppen und den Schuldspruch aufzuheben. Amnesty International wies darauf hin, dass das Urteil sowohl gegen Irans völkerrechtliche Verpflichtungen verstößt, die die Verhängung von Todesurteilen auf „schwerste Verbrechen“ wie Mord mit Vorsatz beschränkt, als auch Irans eigene Gesetze, die festschreiben, dass Personen das Verbrechen der „bewaffneten Rebellion gegen den Staat“ nur zur Last gelegt werden kann, wenn sie Mitglied einer bewaffneten Gruppe sind und selbst Waffen eingesetzt haben. Auch die Vereinten Nationen (UN) hatten an den Iran appelliert, die Hinrichtung des kurdischen Gefangenen nicht durchzuführen und das Todesurteil aufzuheben.
267 Hinrichtungen in 2021
Im Iran werden mehr Menschen hingerichtet als in irgendeinem anderen Land außer China. Laut der Organisation Iran Human Rights Monitor wurden seit Anfang des Jahres mindestens 267 Menschen hingerichtet. Im vergangenen Jahr gab es laut Amnesty International im Iran insgesamt 246 Hinrichtungen.