Kurdischer Aktivist von Russland an die Türkei ausgeliefert

Der kurdische Aktivist Nasır Yağız wurde von Russland an die Türkei ausgeliefert. Der 32-Jährige war 2018 vor Repression nach Südkurdistan geflüchtet und hatte die dortige HDP-Vertretung geleitet. Nun muss er vermutlich wieder in ein türkisches Gefängnis.

NASIR YAĞIZ

Der kurdische Aktivist und Politiker Nasır Yağız wurde von Russland an die Türkei ausgeliefert. Der 32-Jährige landete am Montag in Istanbul und wurde bei der Ankunft am Flughafen festgenommen. Anschließend verbrachte ihn die Polizei zum Justizpalast in Gaziosmanpaşa. Nach Angaben seines Rechtsanwalts soll Yağız noch im Laufe des Tages über ein Videokonferenzsystem zum Gericht in der kurdischen Stadt Êlih (tr. Batman) geschaltet werden, das dann über die Erteilung eines Haftbefehls entscheiden soll. „Wir gehen davon aus, dass Nasır umgehend in ein Gefängnis kommt“, so der Jurist Mehmet Resul Yağız.

In Geburtsstadt Êlih politisch aktiv

Nasır Yağız stammt gebürtig aus Êlih, wo er im August 2016 im Alter von 24 Jahren aufgrund seines politischen Aktivismus wegen vermeintlichen Terrorvorwürfen verhaftet wurde. Nach rund sechs Monaten in Untersuchungshaft wurde er zwar zunächst auf freien Fuß gesetzt, das gegen ihn eingeleitete Verfahren ging jedoch weiter. Bis er im Februar 2018 die Türkei schließlich verließ und Schutz in der Kurdistan-Region des Irak (KRI) suchte, wurde er noch fünf weitere Male vorübergehend festgenommen und Opfer von Misshandlung und Folter.

Vertreter der HDP Hewlêr

In der KRI lebte Yağız in der Hauptstadt Hewlêr (Erbil), wo er die Vertretung der DEM-Vorgängerin „Demokratische Partei der Völker“ (HDP) leitete und sich im Verein der Werktätigen aus Mesopotamien (KKM), der von politischen Verfolgten aus Nordkurdistan gegründet wurde, engagierte. 2018 wurde Yağız auch international bekannt, weil er sich knapp 170 Tage an einem Hungerstreik gegen die Isolation des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan beteiligte.

Anwerbeversuch des türkischen Geheimdienstes

Im September 2021 versuchte der türkische Geheimdienst MIT, den Aktivisten als Agenten anzuwerben. Im Gegenzug sollte ein in der Türkei gegen ihn verhängtes Urteil gestrichen werden. Yağız lehnte ab und machte die Anwerbeversuche öffentlich. Noch im selben Monat startete in Südkurdistan eine von MIT-Attentätern verübte Mordserie, der bis heute mindestens neun Politiker:innen und Aktivist:innen zum Opfer gefallen sind - die meisten waren Geflüchtete aus Nordkurdistan.

Von PDK nach Silêmanî deportiert

Ende 2024 wurden Yağız und alle weiteren damaligen Repräsentanten der HDP aus Hewlêr deportiert. Zusammen mit den Exil-Politikern Hikmet Hatip, Aydın Yalvaç und Sıtkı Vakar war der Aktivist damals von Sicherheitskräften der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) gewaltsam aus der Hauptstadt der KRI gebracht und nahe Silêmani im Einflussgebiet der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) ausgesetzt worden. Danach wurde ihnen die Wiedereinreise nach Hewlêr untersagt. Einen Grund für die Ausweisung nannten die PDK-Behörden nicht.

Asylantrag von russischen Behörden ignoriert

Vergangene Woche reiste Yağız nach Moskau und beantragte politisches Asyl. Laut seinem Verteidiger wurde er umgehend festgenommen. „Der Asylantrag ist von den russischen Beamten ignoriert worden. Sie haben meinem Mandanten sein Recht auf Asyl verwehrt“, sagte Rechtsanwalt Mehmet Resul Yağız. Insgesamt vier Tage habe der 32-Jährige sich in Gewahrsam der russischen Polizei befunden, bevor er in die Türkei abgeschoben wurde. „Die russische Haft beschrieb Nasır Yağız als erniedrigend und menschenverachtend. Er wurde misshandelt und hat weder Wasser noch Nahrung erhalten“, so Yağız. „Er wurde unter Missachtung des internationalen Flüchtlingsrechts an Ankara ausgeliefert.“