Karayilan: Für uns zählt Öcalans Wort

Im Fernsehsender Stêrk TV hat sich der Guerillakommandant Murat Karayilan zu den jüngsten Äußerungen Abdullah Öcalans und der Lage im Guerillakrieg geäußert.

Murat Karayilan ist Kommandant des zentralen Hauptquartiers der Volksverteidigungskräfte und hat sich in einem bei Stêrk TV ausgestrahlten Interview zu den jüngsten Äußerungen Abdullah Öcalans und der Lage im Guerillakrieg geäußert. Wir geben das Interview in gekürzter Form wieder.

Abdullah Öcalan hat bei seinem letzten Anwaltsgespräch gesagt, dass er die kurdische Frage innerhalb einer Woche lösen könnte, wenn der Staat sich ernsthaft verhalten würde. Wie bewerten Sie als militärische Kraft diese Ansage?

Rebêr Apo hat erklärt, für eine Lösung bereit zu sein, dafür sei jedoch staatliche Vernunft erforderlich. Das Ergebnis hängt davon ab, inwieweit diese Vernunft in das Geschehen eingreift. Außerdem hat er gesagt, dass er einen Raum für die Kurden schaffen will. Das ist sehr wichtig. Dieser Raum, den er schaffen will, geht nicht nur die Kurden im Norden etwas an. Die Kurden brauchen ein freies Gebiet in der Region. Solange der türkische Staat die Kurden im Inland nicht anerkennt, stellt er auch eine Gefahr für die Kurden außerhalb der Türkei dar. Aktuell bedroht er Rojava und Südkurdistan. Damit diese Bedrohung ein Ende findet, muss der türkische Staat die kurdische Realität anerkennen. Darum geht es. Dieser Staat akzeptiert die kurdische Existenz nicht.

Der türkische Staat will die PKK schwächen und versucht Rebêr Apo zu bedrängen. Laut uns vorliegenden Informationen hat der türkische Geheimdienstchef bei einem Treffen mit bestimmten Kreisen angekündigt, die PKK zu schwächen und anschließend aufzulösen. Die PKK lässt sich nicht schwächen. Sie ist eine Bewegung, die sich in schwierigsten Zeiten selbst erneuert und größer wird. Die PKK verfügt über eine solche Dynamik und Philosophie. Wenn sie bedrängt wird, geht sie in die Offensive. Die Menschen in der PKK kämpfen für ihre Würde und ihre Ehre. Sie haben dem Volk, ihren Weggefährten, den Gefallenen und Rebêr Apo ihr Wort gegeben. Wovor sollen sie sich fürchten? Es gibt nichts, was ihnen Angst machen kann. In Zeiten heftigster Angriffe entsteht eine Synergie, die sie Widerstand leisten lässt. Aufgrund dieser Dialektik hat die PKK die meisten Offensiven in Zeiten gestartet, in denen der Feind meinte, sie geschwächt zu haben. Wenn der Staat die Bemühungen Abdullah Öcalans ins Leere laufen lässt, wird er selbst verlieren. Als Bewegung und als Guerilla stehen wir hinter Rebêr Apo. Für uns zählt, was er sagt. Wir sind jedoch die Guerilla, unsere Aufgabe ist der militärische Kampf. Unser Vorsitzender bemüht sich und wenn eine entsprechende Anweisung kommt, werden wir uns danach richten.

Die Guerilla versetzt der türkischen Armee in Süd- und Nordkurdistan mit einer kreativen Taktik harte Schläge. Wie ist die Lage der Freiheitsguerilla Kurdistans?

Wir kämpfen jetzt mehr mit ausgewählten Kämpferinnen und Kämpfern auf professionelle Weise in kleinen Gruppen. Manchmal kommt es nicht zu den gewünschten Ergebnissen, es gibt einige Fehler. Die kann ich ganz offen benennen. Wir haben drei Feinde, dabei handelt es sich um unsere eigenen Mängel, unsere Angewohnheiten und die Besatzung. Zu unseren Angewohnheiten lässt sich sagen, dass das kurdische Volk konservativ ist und sich nicht schnell verändert. Wenn es sich an etwas gewöhnt hat, gibt es diese Gewohnheit nicht so schnell auf. Das trifft auch auf die Guerilla zu, zum Beispiel beim Kontakt zu den Dörfern oder beim Angriff auf den Feind.

In diesem Zusammenhang wollen wir die Guerilla vollständig modernisieren und professionalisieren. Es geht um den Erfolg gegen die Informationsgewinnung und die Technik des Feindes. Darüber denken wir intensiv nach. Der Feind setzt im Krieg auf Aufklärungsdrohnen, Kampfflugzeuge und modernste Technologie. Auf dem Boden ist er längst geschlagen, jetzt will er diese Niederlage mit seiner Luftwaffe und Technologie wettmachen. Das lassen wir nicht zu. Wir benutzen auch materielle Technik, gleichzeitig profitieren wir jedoch von menschlicher Technik. Mit der Erfahrung, die wir gemacht haben, wollen wir die feindliche Technik ins Leere laufen lassen. In der Praxis bewegen wir uns in Kleingruppen von drei bis vier Personen. Zu gegebenem Anlass können aus diesen drei Personen plötzlich 300 Personen werden, die das Angriffsziel zerschmettern. Es geht um eine Geisterguerilla: Sie ist nirgendwo zu sehen, aber sie ist überall. Sie schlägt nicht wie früher direkt zu, sondern mit einer bestimmten Technik und Methode. Wir legen den Fokus auf taktischen Reichtum und menschlichen Erfolg. Bekanntlich kämpfen wir auf der Basis der Ideologie Abdullah Öcalans mit hoher Einsatz- und Opferbereitschaft.

Wird die Professionalität, von der Sie gesprochen haben, überall umgesetzt?

Nein. In den Gebieten, in denen das Projekt der Neustrukturierung umgesetzt wird, werden dem Feind schwere Schläge versetzt. An anderen Orten, an denen es nicht umgesetzt wird, wird die Guerilla getroffen.

Die türkischen Besatzer reden jeden Tag davon, dass sie Xakurke eingenommen haben. Wie ist die Situation wirklich?

Zu Beginn ist es in Xakurke zu Fehlern gekommen, von denen der Feind profitiert hat. Die Guerilla hat sich jedoch schnell wieder gefasst. Zu angemessener Zeit hat auf koordinierte Weise eine Aufteilung in zehn Gruppen stattgefunden. Damit findet jetzt ein großer Widerstand in Xakurke statt. Der Feind hat im Moment in Xakurke Lêlikan und Şekîf eingenommen, ein Ort von strategischer Bedeutung, außerdem das Wadi Ermûş, Evdilkovî, das Wadi Arê und die Karker-Abhänge. Es lässt sich darüber streiten, wer Xakurke jetzt kontrolliert. Hat die Guerilla die Oberhand oder die türkische Armee? Die Guerilla führt ihre schlagkräftigsten Aktionen in Ermûş und Misokê durch. Es finden in ganz Xakurke Guerillaaktionen statt. Die Guerilla ist dort in ständiger Bewegung. Genauso muss der Guerillakampf in dieser Zeit laufen. Dem Feind gelingt es nirgendwo, ein Gebiet zu beherrschen. Früher haben sich unsere Kräfte zurückgezogen, wenn der Feind in Xakurke eingedrungen ist. Jetzt hat der Feind die Guerilla ständig im Rücken. Die Guerilla ist immer nah genug dran, um zu schießen. Obwohl die Luftwaffe jeden Tag unterwegs ist, können sich die Soldaten auf den Berggipfeln nicht verteidigen. Sie werden aus der Luft geschützt. Das gilt für alle Berge in Xakurke. Die Guerilla hat die Oberhand. Den Lügen des Feindes sollte man nicht glauben. Wenn es nach dem türkischen Innenminister Soylu und den AKP-nahen Medien ginge, würde es uns schon längst nicht mehr geben.