Izmir: Solidarische Grüße an kranke Gefangene verschickt

Das Bündnis „Freiheit für Aysel Tuğluk und alle kranken Gefangenen“ in Izmir hat in einer gemeinsamen Aktion Postkarten in verschiedene Gefängnisse in der Türkei verschickt und zur Solidarität aufgerufen.

Das Bündnis „Freiheit für Aysel Tuğluk und alle kranken Gefangenen“ in Izmir hat in einer gemeinsamen Aktion Postkarten in verschiedene Gefängnisse in der Türkei verschickt und dazu einer Erklärung vor dem Postamt in Karşıyaka abgegeben. In der von Leyla Kaygisiz vorgetragenen Erklärung wurde die Inhaftierung von Menschen, die sich nicht mehr alleine versorgen können und dringend auf eine angemessene medizinische Behandlung angewiesen sind, als eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte bezeichnet. Die Dramen, die sich in den Vollzugsanstalten abspielten, stellten einen verschärften Ausschnitt der allgemeinen Situation in der Türkei dar, so Leyla Kaygisiz:

„Als Bevölkerung der Türkei wird uns in und außerhalb der Gefängnisse die Luft zum Atmen genommen. Angesichts der beschämenden Situation bleibt uns keine andere Möglichkeit als Widerstand. Täglich wird über Korruption, Bestechung, Betrug, Gewalt und Tote berichtet. Die politischen Machthaber und die von ihnen kontrollierte Justiz sagen dazu nichts, aber sie sind offenbar entschlossen, kranke Gefangene einfach sterben zu lassen. Aysel Tuğluk ist ein prägnantes Beispiel dafür, dass Gefangenen trotz der von unabhängigen Institutionen festgestellten Haftunfähigkeit das Recht auf eine angemessene ärztliche Behandlung verwehrt wird. Das Rechtsmedizinische Institut (ATK) verhält sich wie das Notariat der Regierung. Aysel Tuğluks Gesundheitszustand verschlechtert sich Tag für Tag. Sie und alle anderen kranken Gefangenen müssen unverzüglich freigelassen werden. Wir appellieren an die politischen Machthaber, keine weiteren Verbrechen an der Menschheit zu begehen, das Recht auf Gesundheitsversorgung anzuerkennen und das Sterben zu stoppen.“

Leyla Kaygisiz wies auf die gehäuften Todesfälle in den Gefängnissen hin und rief dazu auf, das Sterben zu stoppen und sich für die Gefangenen einzusetzen. Wie in vielen weiteren Vollzugsanstalten seien auch in Kiriklar Gefangene in einen Hungerstreik gegen ihre unerträglichen Haftbedingungen getreten. „Wir müssen ihnen eine Stimme verleihen und ihr Anliegen öffentlich machen. Um unsere Solidarität zum Ausdruck zu bringen, senden wir ihnen heute Karten. Wer noch über ein Gewissen verfügt, sollte sich mit den kranken Gefangenen solidarisch zeigen.“

Wer ist Aysel Tuğluk?

Aysel Tuğluk war vor ihrer politischen Laufbahn Rechtsanwältin und hat unter anderem Abdullah Öcalan verteidigt. Bis zu ihrer Verhaftung Ende 2016 war sie stellvertretende Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP). In mehreren Verfahren wurde sie bereits verurteilt, andere Prozesse sind noch anhängig. Im Februar 2020 bestätigte der türkische Berufungsgerichtshof die bislang höchste Freiheitsstrafe gegen Tuğluk mit über zehn Jahre Haft. Verurteilt wurde sie aufgrund ihrer Funktion als Ko-Vorsitzende des „Demokratischen Gesellschaftskongresses” (KCD) wegen „Leitung einer Terrororganisation“. Im Oktober vergangenen Jahres verhängte ein Gericht in Wan eine zwanzigmonatige Freiheitsstrafe wegen angeblicher PKK-Propaganda in den Jahren 2012 und 2013. Im sogenannten Kobanê-Prozess in Ankara droht Aysel Tuğluk eine erschwerte lebenslange Freiheitsstrafe.

Aysel Tuğluk befindet sich seit Ende 2016 unter Terrorvorwürfen im Hochsicherheitsgefängnis Kandıra in der Schwarzmeerprovinz Kocaeli in Haft. Im vergangenen Jahr stellte ein von neun Fachleuten erstelltes Gutachten der forensischen Abteilung der Universität Kocaeli fest, dass die 57-Jährige aufgrund einer chronischen und fortschreitenden Alzheimer-Demenz nicht länger haftfähig ist und sofort aus dem Gefängnis zu entlassen sei. Das Istanbuler ATK, eine Einrichtung des Justizministeriums, hat eine gegenteilige Feststellung getroffen und sah bisher keinen Grund für eine Aussetzung des Strafvollzugs.