Izmir: Corona-Disziplinarstrafen gegen politische Gefangene

Weil sie fehlende Corona-Prävention bemängelten und dies über Telefonate mit ihren Angehörigen in die Öffentlichkeit trugen, sind politische Gefangene in einer Haftanstalt in Izmir mit Disziplinarstrafen belegt worden.

Die Leitung des T-Typ-Gefängnisses Şakran/Aliağa in der westtürkischen Provinz Izmir hat Disziplinarstrafen gegen alle politischen Gefangenen verhängt. Den Insassen wird vorgeworfen, die Öffentlichkeit über fehlende Schutzmaßnahmen gegen eine Einschleppung des neuartigen Coronavirus in Kenntnis gesetzt zu haben. Statt zweimal ist es den Gefangenen nur noch einmal pro Woche gestattet, mit ihren Familien zu telefonieren. Auch das Besuchsrecht soll eingeschränkt werden, sobald das vor dem Hintergrund der Pandemie in allen Gefängnissen erteilte Verbot wieder aufgehoben wird.

Einige der Gefangenen hatten im Rahmen von Telefonkontakten mit Familienangehörigen bemängelt, dass keine Präventionsmaßnahmen umgesetzt würden. Außerdem teilten sie mit, dass sich die Zahl der willkürlichen Zellendurchsuchungen erhöht habe, das Personal aber keine Handschuhe und Mund-Nase-Schutzmasken trage und auch nicht den Mindestabstand von anderthalb Metern einhalte.

16 Infektionen in Frauengefängnis Şakran

In der Frauenhaftanstalt auf dem Gefängniskomplex Şakran wurde bereits bei zwei Ärzten, zwei Gefangenen und zwölf Mitarbeitern eine Corona-Infektion festgestellt. Eine Gemeinschaftszelle soll zum Quarantänezentrum umfunktioniert worden sein, weitere Schutzmaßnahmen gebe es dort aber ebenfalls nicht, meldet die Nachrichtenagentur MA.

Gefängnisse sind besonders anfällig für eine rapide Ausbreitung der durch das Coronavirus verursachten Lungenkrankheit Covid-19. Vor allem in den Haftanstalten der Türkei, die um fast ein Drittel überbelegt sind, leben die Insassen dicht aufeinander. Die hygienischen Bedingungen sind prekär, inmitten der Corona-Krise sogar noch gravierender. Ebenso ist die medizinische Versorgung problematisch.

Umstrittenes Strafvollzugsgesetz verabschiedet

Unterdessen hat das türkische Parlament am späten Montagabend den Entwurf für das umstrittene neue Vollzugsgesetz angenommen. Die als „Corona-Amnestie“ bezeichnete Gesetzesänderung sieht die Freilassung von rund 90.000 der etwa 295.000 Gefangenen in der Türkei vor. Ein Teil von ihnen soll vorzeitig aus der Haft entlassen werden, ein anderer Teil unter Hausarrest gestellt werden. Bei zahlreichen Gefangenen wird die Haftstrafe halbiert. Die politischen Gefangenen, die nach den umstrittenen Antiterrorgesetzen der Türkei angeklagt oder verurteilt sind, schließt die von der Regierungskoalition AKP/MHP vorgelegte Gesetzesänderung allerdings explizit aus. Menschenrechtsorganisationen hatten das Gesetz deshalb scharf kritisiert, die HDP hatte der Regierung vorgeworfen, die eigene Anhängerschaft zu amnestieren, während Oppositionelle dem Corona-Tod in den Gefängnissen überlassen werden.