Die Polizei in der westtürkischen Metropole Istanbul hat erneut die wöchentlich stattfindende Mahnwache von Angehörigen politischer Gefangener aufgelöst und Festnahmen durchgeführt. Betroffen von dem teils gewaltsamen Auftreten des Aufstandstrupps der Polizei waren insgesamt fünf Personen: Die „Friedensmutter“ Zeynep Calıhan, deren beide Töchter im Frauengefängnis Gebze inhaftiert sind; die Aktivistin Cemile Çiftçi, deren Bruder Selim Çiftçi, der vom Menschenrechtsverein IHD in der Liste der „schwerkranken Gefangenen“ geführt wird, in Ümraniye inhaftiert ist; Kumri Akgül, Schwester des in Tekirdağ in einer Einzelzelle isolierten Gefangenen Erdal Özel, sowie zwei HDP-Mitglieder. Die Kreisverbände der Partei in Kağıthane und Eyüp hatten die heutige Mahnwache unterstützt.
Seit mittlerweile 17 Wochen halten Gefangenenangehörige jeden Donnerstag vor dem Justizpalast im Istanbuler Stadtteil Şişli eine „Gerechtigkeitswache“ ab, um die Freilassung schwer Erkrankter und wegen fehlendem Reuebekenntnis trotz Vollendung ihrer Strafen weiterhin Inhaftierter zu fordern. Bei den Beteiligten handelt es sich überwiegend um Mütter, die um das Leben ihrer inhaftierten Kinder kämpfen. Seit die Initiative im April ins Leben gerufen wurde, ist nahezu jede Mahnwache von der Polizei angegriffen oder aufgelöst worden.
Eine der Frauen, die sich von Anfang an an der Aktion beteiligt, ist Fince Akman. Sie ist die Mutter des im Hochsicherheitsgefängnis Silivri Nr. 3 inhaftierten Yakup Akman. Der Kurde, der bis zu seiner Verhaftung in Istanbul lebte, hatte 2019 der Feuerwehr einen Brand im Aydos-Wald im Bezirk Pendik gemeldet, und war später als angeblicher „Brandstifter der PKK“ zu einer erschwerten lebenslangen Haftstrafe plus weiteren 25 Jahren verurteilt worden. Im Verfahren gegen Akman gab es keine Beweise, sondern nur Schuldzuweisungen.
Akmans Mutter Fince konnte sich diese Woche nicht an der Gerechtigkeitswache beteiligen. Sie sei durch die gewaltsamen Übergriffe der Polizei auf die vergangenen Sit-ins zu geschwächt, ließ die Seniorin ausrichten. Die Festgenommenen erwartet derweil eine Anzeige wegen Verstoß gegen das türkische Versammlungs- und Demonstrationsgesetz Nr. 2911. Sollte es zu einem Prozess kommen, drohen bis zu drei Jahre Gefängnis sowie Geldstrafen.