Der kurdische Autor und Aktivist Dr. Faiq Hamid wurde 2021 ohne jeglichen Anlass von Einheiten der südkurdischen Regierungspartei PDK verhaftet und verbrachte mehrere Monate in den Kerkern der Barzanî-Partei. Er berichtete im ANF-Gespräch über die Bedingungen in den Haftanstalten der PDK und die sozialen Entwicklungen in Südkurdistan.
Hamid ist 42 Jahre alt, stammt aus der ostkurdischen Stadt Bokan und lebt seit 15 Jahren in Piranşar. Er ist Tierarzt, Autor und Übersetzer. Gleichzeitig engagiert er sich in zivilgesellschaftlichen Organisationen und ist seit fünf Jahren im Vorstand einer Tierrechtsorganisation. „Aufgrund dieser Aktivitäten kamen Menschen aus Südkurdistan auf mich zu und sagten, sie hätten meinen Namen gehört und wollten mit mir zusammenarbeiten“, berichtete er und erklärte zu seiner Gefangennahme durch die PDK: „Im Sommer 2021, während der Covid-Pandemie, war ich daher bei einem Freund nach Hewlêr (Erbil). Eines Tages, als wir durch die Straßen der Stadt liefen, trafen wir auf einen Polizisten. Dieser Polizist fragte uns sehr unhöflich, was wir hier machten, und schikanierte uns. Wir wurden auf die Polizeiwache gebracht. Dort fragten sie den Polizisten: ‚Was ist passiert, warum hast du die hierhergebracht?‘ Der Polizist, der uns zur Polizeiwache gebracht hatte, sagte, wir seien Iraner und könnten daher entweder Schmuggler oder Agenten sein.“
Mit bis zu 70 Personen in einer Zelle
Die PDK kontrolliert insbesondere Hewlêr und seine Umgebung. Die Sicherheitskräfte dort gleichen Parteimilizen. Die PDK hält sich mit Hilfe des türkischen Staates an der Macht und agiert als Vertreterin der AKP. Hamid berichtete weiter: „Im PDK-System ist Lügen so selbstverständlich wie Wasser trinken. Als wir dem Richter vorgeführt wurden, fragte er mich, was ich hier machte. Ich sagte ihm, dass ich hierher eingeladen worden sei, und zeigte ihm meine Aufenthaltskarte. Dann wurden wir ins Gefängnis gebracht. Wir waren mit 40 Personen unterschiedlichen Alters in einem Raum, zwei Ärzte waren auch dabei. Die meisten von ihnen waren entweder wegen kleinerer Vergehen oder wegen gar keiner Vergehen verhaftet worden. Dann kam jemand und beschuldigte uns. Mein Freund hatte eine Pille in der Tasche, und sie sagten, es sei eine Droge. Mein Freund sagte, sie sollten in die Apotheke gehen und überprüfen, ob die Pille eine Droge sei oder nicht. Was ich in den PDK-Gefängnissen erlebt und gesehen habe, war sehr schwer für mich zu ertragen. Nach 17 Tagen wurden wir in Handschellen auf einen öffentlichen Platz mitten unter die Leute gebracht. Der Krach der Polizeiwagen war so laut, dass die Leute erschraken. Nach Ermittlungen stellten sie fest, dass wir nichts getan hatten. Dann wurden wir in ein Gefängnis aus der Zeit Saddam Husseins hinter dem Gebäude gebracht und in einen sehr schmutzigen Raum gesteckt. Der Raum war neun Meter lang und fünf Meter breit. In dem Raum waren etwa 50 von uns, und für keines der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse gab es eine Abhilfe. Am Höhepunkt befanden sich 70 Personen in der Zelle. Dann nahm die Zahl wieder ab.“
Sieben Monate in Haft, ohne den Grund zu kennen
Faiq Hamid beschrieb seine Haftzeit weiter: „Jeden Tag öffneten sie die Türen nur für fünf oder zehn Minuten, damit wir unsere Bedürfnisse befriedigen konnten. Nach 24 Tagen wurden wir an einen anderen Ort gebracht. Mein Freund dachte, dass sie uns freilassen würden, aber wir sahen, dass ein PDK-Wärter auf uns wartete, er brachte uns dann an einen unbekannten Ort. Anschließend wurden wir auf die Direktion der Sicherheitskräfte in Hewlêr gebracht, ein noch viel schlimmerer und schmutzigerer Ort. Die PDK versucht Gefangene dazu zu bringen, andere Gefangene unter Druck zu setzen. Nach langem Warten kamen wir wieder vor Gericht. Als der Richter mir eine Frage stellte, sagte ich ihm, dass ich seit zwei Monaten im Gefängnis war, ohne zu wissen, warum ich verhaftet wurde. Ich sagte auch, dass ich, wenn es Gerechtigkeit gäbe, gegen die Person, die uns verhaftet hatte, Anzeige erstatten sollte. Sieben Monate später, eine Nacht vor dem nächsten Gerichtstermin, weckten sie mich auf und sagten mir, ich solle aufstehen, meine Sachen packen und gehen.“
„Folter, um falsche Geständnisse zu erpressen“
Hamid berichtete von Folter in den Gefängnissen: „Es gibt viele Berichte über Folter in PDK-Gefängnissen. Wenn die PDK ein Geständnis braucht, dann foltern sie dich, damit du gestehst, oder du wirst erst aus dem Gefängnis entlassen, wenn du gestehst. Ich habe einen Freund, der drei Jahre lang im Gefängnis saß, weil er ein Verbrechen nicht gestehen wollte, das er nicht begangen hatte. Um falsche Geständnisse zu erzwingen, werden alle Arten von Folter angewandt. Zum Beispiel Elektroschocks, physische und psychische Folter. Sie haben einen Freund von uns als Zeuge mitgenommen, und als er zurückkam, hinkte er. Die Sicherheitskräfte der PDK haben das Foltern geradezu genossen, sie sagten schamlos, sie folterten Ärzte, Ingenieure, Kinder und alte Menschen. In den PDK-Gefängnissen zählt Menschenwürde nichts. Es gibt viele Menschenrechtsverletzungen.
„Kein Ort ist so schlimm wie die Direktion der Sicherheitskräfte in Hewlêr“
Ich ergreife für niemanden Partei, ich stehe immer auf der Seite der Wahrheit. Ich spreche die Wahrheit aus, auch wenn es hart ist, ich bin stolz auf meine Ehrlichkeit. Es gab jemanden, der elf Jahre als politischer Gefangener im Irak verbracht hat, aber er sagte, dass diese elf Jahre nicht so lang waren, wie zwei Wochen in den Kerkern der PDK. Es gibt keinen Ort auf der Welt, der so schlimm ist wie die Direktion der Sicherheitskräfte der PDK in Hewlêr. Sie wird als Einrichtung für vorübergehenden Gewahrsam bezeichnet, aber man kann dort jahrelang inhaftiert sein. Die Direktion ist für 240 Gefangene ausgelegt, aber es befinden sich 900 Menschen darin. In diesem Gefängnis werden die Menschen zu jeder Tageszeit gefoltert und all ihrer Grundrechte beraubt.“
„Die PDK kann Südkurdistan nicht schützen“
Hamid schloss mit einer Bewertung des Systems der PDK: „Bei dem Wort Diktator denkt jeder an die Gefängnisse von Saddam Hussein. Aber einige Menschen, die während der Zeit von Saddam Hussein in unserem Land inhaftiert waren, sagen, dass die PDK-Gefängnisse viel schlimmer sind als die Gefängnisse des baathistischen Regimes. Meiner Meinung nach gibt es keinen Staat und niemanden, der so diktatorisch ist, wie die Familie Barzanî. Der Barzanî-Clan hat einige Profiteure um sich geschart, und sie verteilen das gestohlene Geld und die Gehälter, die eigentlich dem Volk zustehen, unter sich. Viele Menschen sind wütend auf die Barzanîs, aber sie können sich nicht äußern geschweige denn die Situation kritisieren.
In den Regionen, in denen die Barzanî-Familie herrscht, ist es schlimmer als in Nordkorea oder irgendeinem anderen Land. Der Name der PDK, ‚Demokratische Partei Kurdistans‘ sollte in ‚Partei der Familie Barzani‘ geändert werden. Alle Regionalmächte und Staaten der Welt sind in Südkurdistan präsent. Die PDK, die Familie Barzanî, kann Südkurdistan nicht schützen, aber sie kann eine Person verhaften, die einem PKK-Kämpfer ein Glas Wasser gibt, und ihn der Spionage und des Verrats beschuldigen. Ich bin nicht der erste, der die Familie Barzanî kritisiert, es gibt viele Menschen auf der Welt, die diese Kritik teilen. Die PDK und die Familie Barzanî heuern Auftragskiller an, um Oppositionelle töten. Aber die Ära der Familie Barzanî ist vorbei, ihr stehen dunkle Tage bevor.“