IHD: Erschütternde Menschenrechtsbilanz für Türkei 2017

Der Menschenrechtsverein IHD stellte gestern seinen Bericht für das Jahr 2017 vor. Demnach konnte er Dutzende extralegaler Hinrichtungen durch staatliche Kräfte und 2.682 Fälle von Folter und Misshandlung dokumentieren.

Der Menschenrechtsverein IHD hat seine Bilanz der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei des Jahres 2017 veröffentlicht. An der Pressekonferenz im IHD-Zentrum von Istanbul nahmen der Ko-Vorsitzende des IHD, Öztürk Türkdoğan und Sevim Salihoğlu und Necla Demir aus der Leitung des IHD teil.

Türkdoğan betonte, dass 30 Jahre nach dem Ende des Ausnahmezustands nach dem Militärputsch von 1987 der Ausnahmezustand in der Türkei nun zum Dauerzustand geworden ist. Weiterhin hob er hervor, dass der türkische Staat das größte Problem der Türkei, die kurdische Frage, nicht bereit war zu lösen und weiterhin auf Krieg besteht: „Während für all diese Fragen eine Lösung gefunden werden muss, findet sogar im türkischen Parlament eine Diskriminierung statt, die HDP wird aus der demokratischen Politik ausgeschlossen und wird permanent zum Opfer von Festnahme- und Inhaftierungsoperationen. In diesem Zusammenhang dauert die Inhaftierung von neun HDP-Abgeordneten, unter ihnen die ehemaligen Vorsitzenden, und einem CHP-Abgeordneten, zusammen also zehn Abgeordneten an. Durch die Ausnahmezustandsverordnung wurden 99 gewählte Stadtverwaltungen abgesetzt, Bürgermeister*innen inhaftiert und ins Gefängnis geschickt.“

Der IHD stellt folgende Konsequenzen aus dem Ausnahmezustand fest:

* Am 23. Juli 2016 trat das Dekret 667 in Kraft, dass die Dauer der Festnahme auf 30 Tage ausdehnt. Am 27. Juli das Dekret 668, das es Festgenommenen fünf Tage lang verbietet, ihre Anwält*innen zu sehen. Mit dem Dekret 682 wurde die Festnahmedauer von 30 Tagen auf 14 Tage gesenkt und das Anwaltsverbot auf einen Tag reduziert.

* Insgesamt neun Abgeordneten wurde das Abgeordnetenmandant aberkannt.

* Mit Hilfe von Ausnahmezustandsdekreten wurden 99 Stadtverwaltungen unter Zwangsverwaltung gestellt. 94 davon waren von der Partei der Demokratischen Regionen (DBP), einer Mitgliedspartei der HDP, regiert worden, bei 64 dieser Stadtverwaltungen wurden die Bürgermeister*innen inhaftiert. 28 Ko-Regionalvorsitzende und 89 Ko-Kreisvorsitzende der HDP wurden inhaftiert, 780 HDP-Mitglieder auf Regional- und Kreisleitungsebene befanden sich in Haft.

* Durch die Ausnahmezustandsdekrete werden die Verfassung und auch der Verfassungsgerichtshof vollkommen irrelevant. Durch diese Verordnungen wurden 116.512 Personen aus dem öffentlichen Dienst entlassen, 3.833 Angestellte im öffentlichen Dienst wurden suspendiert und dann wieder zurückgeholt. Private Einrichtungen wurden geschlossen und dabei 22.474 mehrheitlich Lehrer*innen die Arbeitserlaubnis entzogen. Nur 614 haben bisher ihre Erlaubnis zurückerhalten.

* Während des Ausnahmezustands wurden 4.308 Richter*innen und Staatsanwält*innen suspendiert, 166 von ihnen wurden wieder eingestellt.

* 48 Gesundheitseinrichtungen sind geschlossen worden, zwei davon wurden wiedereröffnet.

* Es wurden 2.381 private Bildungseinrichtungen geschlossen (Schulen, Kurse, Internate, Pensionen). 15 private Universitäten, 19 Gewerkschaften und Konföderationen wurden geschlossen. 3.041 Personen, die an den geschlossenen Universitäten angestellt waren, sind arbeitslos.

* 985 Firmen mit einem Volumen von 41 Milliarden Lira (ca. 8,25 Mil. Euro) und 49.587 Angestellte wurden vom Staat unter Zwangsverwaltung gestellt.

* Schwerster Schaden wurde durch den Ausnahmezustand der Meinungsfreiheit zugefügt. Es wurden vor allem schriftliche und visuelle Medien geschlossen. Von 201 geschlossenen Medien konnten nur 25 wiedereröffnen.

* Während des Ausnahmezustands wurde viele Journalist*innen inhaftiert. Es befinden sich immer noch 213 Journalist*innen in Haft.

* Es wurden 1.607 Vereine geschlossen, 183 von ihnen konnten wiedereröffnen. 168 Stiftungen wurden geschlossen, 23 durften wiedereröffnen. Es wurde angeführt, dass die meisten Vereine und Stiftungen zum Gülen-Netzwerk gehörten, die anderen aufgrund der Nähe zu anderen illegalen Gruppen geschlossen worden seien. Bei den übrigen geschlossenen Vereinen handelt es sich schwerpunktmäßig um kurdische Kultureinrichtungen, Frauenorganisationen und juristische Organisationen.

* Im Rahmen des Ausnahmezustands wurden im Jahr 2016 gegen 4.187 Personen Verfahren wegen Beleidigung des Präsidenten, wegen Beleidigung des Türkentums 482 Verfahren und wegen Propaganda für eine illegale Organisation gegen 17.322 Personen Verfahren eröffnet. Dieses Bild spitzte sich im Jahr 2017 zu, allerdings weist der IHD darauf hin, dass die Statistiken erst ein Jahr später veröffentlicht werden und daher erst im nächsten Jahr Zahlen angegeben werden können.

Extralegale Hinrichtungen

* 33 Personen wurden durch extralegale Hinrichtungen von Polizeikräften oder wegen nicht Befolgung des Haltebefehls oder willkürlichen Schüssen getötet worden. 62 weitere wurden verletzt. Sieben der verletzten und zehn der Getöteten wurden durch bewaffnete Drohnen (SIHA) beschossen.

* 2017 sind drei Personen in Haft gestorben, eine Person wurde verletzt. 12 Personen wurden Opfer von Morden unbekannter Täter, 16 Personen wurden verletzt.

* Im Rahmen von bewaffneten Auseinandersetzungen sind laut IHD 161 Soldaten, Polizisten und Dorfschützer und 483 Militante, wie auch 12 Zivilist*innen, insgesamt 656 Personen getötet worden. In dieser Zeit wurden 309 Soldaten, Dorfschützer und Polizisten, 26 bewaffnete Militante, 14 Zivilist*innen, insgesamt 349 Personen verletzt.

* 23 Personen wurden von Fahrzeugen der Sicherheitskräfte getötet, acht davon Kinder, 26 Personen wurden in diesem Rahmen verletzt, davon sechs Kinder.

* Aufgrund von Minenexplosion und herumliegenden Sprengkörpern sind sieben Personen, sechs davon Kinder, getötet worden, 28 Personen, 17 davon Kinder wurden verletzt.

* In den Gefängnissen sind 19 Personen, drei von ihnen Jugendliche, aus verschiedenen Gründen ums Leben gekommen.

* Das Justizministerium gab auf eine Parlamentarische Anfrage an, dass im Jahr 2016 66 Gefangene sich selbst getötet hätten.

* 19 Angestellte des Öffentlichen Dienstes, die Aufgrund von Ausnahmezustandsdekreten entlassen worden waren, haben Suizid begangen. Im Jahr 2016 hatten 24 Personen in diesem Kontext Suizid begangen.

* Die Verletzungen des Rechts auf Leben von Frauen steigen weiter an. Es wurden 51 Suizide und 357 Morde im öffentlichen Raum an Frauen gezählt, 610 Frauen wurden lebend gerettet. 1.074 Fälle von Zwangsprostitution wurden registriert.

* Nach Zahlen des Rates für Arbeitergesundheit und Arbeitssicherheit wurden im Jahr 2017 mindesten 2.006 Arbeiter*innen durch „Arbeitsunfälle“ getötet.

Fast 3.000 Fälle von Folter registriert

* Nach Zahlen des IHD wurden 2017 427 Fälle von Schlägen und Misshandlung in Gewahrsam bekannt. 1.855 Menschen wurden außerhalb von Polizeistationen misshandelt, zusammen mit den Personen, die auf Kundgebungen von Sicherheitskräften misshandelt wurden, sprechen wir von 2.682 direkt Betroffenen.

* Nach Angaben des IHD vom 30. Mai 2017 fanden in Ankara elf Versuche Menschen zu entführen und verschwinden zu lassen statt. Von den Betroffenen wurden vier wieder freigelassen, eine Person beging Suizid. Zusammen mit den folgenden Fällen im Jahr 2017, sind immer noch neun Personen „verschwunden“. Währenddessen sind insbesondere in der Region Ankara sehr viele Menschen entführt, bedroht und misshandelt worden. Human Rights Watch berichtet über fünf solcher Fälle der Entführung. Einer dieser Fälle ist eine Person, die in Ankara entführt wurde. Sie sei 42 Tage an einem geheimen Ort gefoltert worden und danach in Polizeigewahrsam aufgetaucht (https://www.hrw.org/de/news/2017/10/12/tuerkei-erneut-faelle-von-folter-polizeigewahrsam-und-entfuehrungen).

* Die Präventionsmaßnahmen von Folter, die zuvor eingeführt worden waren, wurden durch die gesetzlichen Veränderungen in Rahmen der Ausnahmezustandsdekrete weitestgehenden aufgehoben.

* Nach Angaben des Justizministeriums waren im Jahr 2016 nach Paragraph 64 TCK wegen Folter 42 und wegen dem geringer strafbewehrten Tatbestand der „Quälerei“ 340 Verfahren eingeleitet. Im Gegensatz dazu wurden 26.195 Verfahren wegen Widerstand gegen die Polizei eingeleitet. Im Ausnahmezustand wird jede Kundgebung mit Tränengas, Wasserwerfern, Pfefferspray und willkürlicher Gewalt aufgelöst. Nach Eindruck der Menschenrechtler*innen dienen die Prozesse wegen „Widerstand“ vor Allem dazu, Folter und Misshandlung zu verschleiern. Daher zeigt diese Statistik deutlich, wie weit die Straflosigkeit von Folter und Misshandlung im Ausnahmezustand geht.

Politischer Vernichtungsfeldzug

* 94 DBP-Stadtverwaltungen wurden unter Zwangsverwaltung gestellt. Währenddessen wurden gegen die gewählten Volksvertreter*innen Verfahren eingeleitet. 68 Ko-Bürgermeister*innen befinden sich in Haft.

* Es befinden sich immer noch neun Abgeordnete in Haft, darunter die ehemaligen Ko-Vorsitzenden der HDP Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ. Darüber hinaus ist ein Abgeordneter der größten Oppositionspartei inhaftiert. Insgesamt neun Abgeordneten wurde die Eigenschaft als Abgeordnete aberkannt.

* Als IHD haben wir immer eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Frage verteidigt. Aus diesem Grund wollen wir, dass die Kämpfe sofort aufhören. Wir wollen, dass die Kriegsparteien eine Feuerpause einlegen.

* Wir wollen, dass die Regierung die Isolationshaft von Abdullah Öcalan aufhebt, den Weg für eine Lösung der Probleme freimacht und eine für eine Lösung angemessene verwaltungstechnische, juristische und politische Grundlage schafft und umgehend mit Verhandlungen beginnt.

Angriffe auf die Presse

* Die mit Ausrufung des Ausnahmezustands begonnene Repression und Kontrolle der Presse durch die politische Macht hat sich auch im Jahr 2017 in besorgniserregendem Ausmaß fortgesetzt. Es fanden sehr ernste Einschränkungen der Meinungsfreiheit statt. In diesem Jahr wurden gegen Journalist*innen, Schriftsteller*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und viele andere Personen Prozesse eingeleitet, Festnahmen und Inhaftierungen durchgeführt, Zeitschriften und Bücher eingezogen und Zeitungen geschlossen. Zuletzt wurde die Zeitung Özgürlük Demokrasi und die Druckerei Gün unter Zwangsverwaltung gestellt und beschlagnahmt.

* Nach Angaben der Solidaritätsplattform für inhaftierte Journalist*innen befinden sich 213 Journalist*innen in türkischen Gefängnissen in Haft.

* Der Zugang zu vielen Internetseiten wurde eingeschränkt. Zur Seite sendika.org wurde der Zugang 61 mal, zur Seite der Zeitung Özgürlükçü Demokrasi 42 mal gesperrt. Die Nachrichtenagentur Mezopotamya wird permanent blockiert. Seit dem 29. April 2017 ist Wikipedia blockiert. Auch die Nachrichten über die Paradise-Papers der Zeitung Cumhuriyet sind gesperrt worden.

* Die Forderungen der Alevit*innen nach gleichen Bürgerrechten wurden auch im Jahr 2017 nicht erwidert. Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte den Zwangsreligionsunterricht aufzuheben und die Cem Häuser als Gebetsorte anzuerkennen, wurden auch 2017 nicht umgesetzt.

* Alevit*innen, Christ*innen und Jüd*innen wurden zum Ziel von Drohungen und Hassbotschaften radikalsunnitischer und rassistischer Gruppen.

* Die Nichtanerkennung von Kriegsdienstverweigerung stellt weiterhin eine bedeutende Menschenrechtsverletzung dar.

* 1128 Akademiker*innen, die am 6. Januar 2016 einen Friedensaufruf unterzeichnet hatten, wurden zum Großteil aus dem öffentlichen Dienst entlassen und waren gezwungen, die Türkei zu verlassen. Die Staatsanwaltschaft Istanbul hat gegen 148 der Akademiker*innen ein Verfahren eröffnet und damit offen das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt. Die Prozesse haben schon die ersten Haftstrafen ergeben.

* Gegen die Kovorsitzende des IHD Eren Keskin wurden, weil sie in den Jahren 2014 und 2015 aus Solidarität die Chefredaktion der Zeitung Özgür Gündem übernommen hatte, 143 Prozesse eröffnet. Bisher haben diese Prozesse eine Strafe von 355.920 TL (ca. 71.000 Euro) ergeben. 105.920 TL (ca. 25.000 Euro) Strafe sind bisher bestätigt worden, und es besteht die Möglichkeit, dass in wenigen Tagen weitere mehrere Hunderttausend TL als Strafen auflaufen. Am 29. März 2018 wurde sie in Istanbul zudem zu 7,5 Jahren Haft verurteilt.

Gefängnisse

* Die Gefängnisse gehören zu den Orten, an denen die massivsten Menschenrechtsverletzungen stattfinden.

* Am 1. November 2017 befanden sich insgesamt 230.735 Gefangene in den Gefängnissen der Türkei. Diese Zahl betrug 2015 178.089 und im Jahr 2014 154.179. Als die AKP an die Macht kam, waren es nur 59.429. (…)

* Misshandlungen bei der Einlieferung ins Gefängnis, Schläge für als „Terroristen“ beschuldigte politische Gefangene, Nacktdurchsuchungen, jegliche Formen von willkürlicher Behandlung, willkürlicher Disziplinarstrafen, Bunkerstrafen, Uniformzwang, Exil- und Transportpraxen haben einen in der jüngeren Geschichte ungekanntes Ausmaß erreicht.

* In den Gefängnissen gibt es ernsthafte Probleme mit dem Recht auf Gesundheitsversorgung. Es gibt massive Hindernisse beim Zugang der Inhaftierten zu medizinischer Hilfe und in den Haftanstalten fehlt es an dem notwendigen medizinischen Personal und Geräten. In türkischen Gefängnissen befinden sich, soweit es der IHD feststellen konnte, 1154 kranke Gefangene, 401 von ihnen sind schwer erkrankt.

Die Isolation muss aufgehoben und Imralı aufgelöst werden“

* (…) Die Isolationshaft gegen Abdullah Öcalan im F-Typ Gefängnis von Imralı muss sofort aufgehoben werden, es muss umgehend dafür gesorgt werden, dass er seine Anwält*innen und seine Angehörigen sehen kann. Dieses Gefängnis muss sofort geschlossen werden.

* Die IHD-Büros haben durch Aussagen von Angehörigen, Mitgefangenen und Betroffenen festgestellt, dass die Kinder und Jugendlichen in türkischen Gefängnissen die Haft psychisch nicht ertragen können und sich selbst Schaden zufügen, Selbstmordversuche begehen und immer wieder Opfer von Missbrauch, Folter und Misshandlungen werden. Wissenschaftler*innen aus den verschiedenen Disziplinen haben festgestellt, dass generell Bestrafung und insbesondere Einschluss keinerlei präventive oder positiven pädagogischen Einflüsse haben. Aus diesem Grund müssen die Jugendgefängnisse als unmenschliche Maßnahme geschlossen werden.

Repression gegen Menschenrechtsverteidiger*innen

* Der Gründer von Amnesty International Türkei Av. Taner Kılıç und der Menschenrechtsverteidiger Osman Kavala, der Vorsitzende des Vereins Zeitgenössischer Jurist*innen Selçuk Kozağaçlı und mit ihm viele Anwält*innen und Vereinsvorsitzende befinden sich in Haft. 2017 wurden 47 Anwält*innen bei Interventionen der Polizei während ihrer Erklärungen oder bei Hausdurchsuchungen festgenommen. Von diesen wurden 17 Anwält*innen inhaftiert.

* Aufgrund von Kritik an der Militärintervention in Efrîn und wegen der Unterzeichnung eines Friedensaufrufs wurde der Kovorsitzende des Vereins der Volkshäuser Dilşad Aktaş und zehn weitere Personen aus dem Vereinsvorstand am 22.02.2018 festgenommen und erst nach sieben Tagen unter Meldeauflagen freigelassen. Außerdem wurden der Ko-Sprecher des Demokratischen Kongresses der Völker (HDK) Prof. Dr. Onur Hamzaoğlu (gleichzeitig Akademiker für den Frieden) und eine große Zahl von Vorstandsmitgliedern aus politischen Vereinen und Parteien am 9. Februar festgenommen. Am 7. Tag der Festnahme wurden Hamzaoğlu und Fadime Çelebi inhaftiert.

Polizeigewalt gegen Demonstrationen

* Einige der Verbote stehen symbolisch für die Mentalität der politischen Macht. In vielen Regionen wurden die Trans- und Pridedemonstrationen von LGBTI+ verboten. In kurzer Zeit wurden vom Gouverneur von Ankara die LGBTI+ Filmtage und schließlich jegliche Aktivität von LGBTI+ Organisationen verboten.

* Polizeigewalt ist eine Herrschaftstechnik, die in der Geschichte der Republik von allen Regierungen angewandt worden ist. Jedoch mit der AKP-Herrschaft hat sie eine neue Qualität erreicht und wird gegen jede Äußerung, die sich gegen die autoritäre Politik der AKP richtet, angewandt. Von dieser Gewalt war von Kurd*innen, Arbeiter*innen, Alevit*innen, LGBTI+ bis hin zu Fußballfans jede gesellschaftliche Gruppe ohne Ausnahme betroffen. Im Pir Sultan Abdal Kulturverein wurden 16 Personen, unter anderem Mitglieder und Personen aus der Leitung, inhaftiert.

* Sicherheitskräfte haben im Jahr 2017 Hunderte friedliche Demonstrationen mit Plastikpatronen, chemischen Waffen/Crowd Control Mitteln und auch scharfen Waffen unter extremer und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung aufgelöst.

*Nach Daten des IHD-Dokumentationszentrums fanden 2017 Polizeiangriffe gegen 735 Kundgebungen und Demonstrationen statt. Bei diesen Angriffen wurden 2.193 Fälle von Folter und Misshandlung angezeigt. Die Mehrheit dieser Personen wurde festgenommen.

*Im Osten und Südosten der Türkei wurde jegliche Demonstrationen verboten bzw. die Genehmigung verweigert.

*Gegen ihre Entlassung aufgrund von Ausnahmezustandsdekreten protestierende Angestellte des öffentlichen Dienstes wurden in Ankara, Tunceli, Diyarbakır, Batman, İstanbul, Eskişehir, Malatya und İzmir gegen viele Personen wegen Verstoßes gegen die Ausnahmezustandsgesetze Geldstrafen verhängt. Außerdem wurden Dutzende Ermittlungsverfahren eingeleitet.

*Das Gouverneursamt von Ankara hatte am 1. Dezember 2017 eine Kundgebung des IHD zum internationalen Tag der Menschenrechte keine Genehmigung erteilt. Während dessen führte die AKP-Basis ohne Probleme an den gleichen Daten eine Kundgebung zum Thema Jerusalem durch. Das zeigt deutlich, dass der Ausnahmezustand vollkommen willkürlich und entsprechend politischer Bedürfnisse benutzt wird.

Gewalt gegen Frauen

* Die gesellschaftliche Gewalt, die mit dem Ausnahmezustand nach dem Putschversuch vom 15. Juli legitimiert wurde, hat die Situation von Frauen extrem negativ beeinflusst. Nach Ausrufung des Ausnahmezustands war ein sichtbarer Anstieg der Gewalt gegen Frauen zu verzeichnen. Gewalt von offizieller Seite und die Behandlung von Frauen in Gefängnissen sind die deutlichsten Beispiele dafür.

*Mit dem Ausnahmezustand wurde eine Vielzahl von Frauen entlassen, suspendiert und eine große Anzahl von Frauenorganisationen geschlossen. Viele Frauen wurden durch Verletzung der Meinungsfreiheit ins Gefängnis gesteckt. Der Ausnahmezustand hat insbesondere Frauen getroffen und stellte einen Putsch gegen die Freiheit der Frau dar.