„Gefängnis-Workshop“ in Amed übt scharfe Kritik an Justizsystem

Auf einem vom IHD organisierten Workshop in Amed kritisierten Menschenrechtler:innen die systematische Entrechtung von Gefangenen scharf. Besonders lebenslange Haftstrafen wurden als „verlängerte Todesstrafe“ angeprangert.

Gemeinsamer Widerstand für echte Reformen

Mit deutlicher Kritik an der bestehenden Gefängnispolitik und der Forderung nach gemeinsamerem Engagement endete am Sonntagabend ein vom Menschenrechtsverein IHD organisierter Workshop in Amed (tr. Diyarbakır). Zwei Tage lang diskutierten Menschenrechtsaktivist:innen und Vertreter:innen zahlreicher Institutionen aus der Türkei und Kurdistan über die dramatischen Zustände in den Haftanstalten und entwickelten Strategien für eine koordinierte Gegenwehr.

Bereits in der Eröffnungsrede zeichnete Hüseyin Küçükbalaban, Ko-Vorsitzender des IHD, ein düsteres Bild. Er kritisierte, dass trotz der Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei die Praxis der erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafen faktisch eine „verlängerte Todesstrafe“ darstelle. Laut offiziellen Angaben des Justizministeriums starben allein in den ersten zehn Monaten des Jahres 2024 mindestens 709 Menschen hinter Gittern.

Besonders scharf ging Küçükbalaban mit der Regierung ins Gericht: Trotz des vom kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan initiierten Aufrufs für Frieden und Demokratie habe der Staat keinerlei substanzielle Schritte unternommen – weder im Hinblick auf die Aufhebung der Isolation in den Gefängnissen noch im Bereich des sogenannten „Rechts auf Hoffnung“ für lebenslänglich Verurteilte oder bei der Freilassung schwerkranker Gefangener.

Als besonders dramatisches Beispiel nannte Küçükbalaban den Fall der schwerkranken IHD-Aktivistin Hatice Onaran, die wegen geringen Geldsendungen an politische Gefangene wegen vermeintlicher „Terrorismusfinanzierung“ zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Ihre sofortige Freilassung wurde gefordert.

Im Verlauf des Workshops fanden intensive Arbeitsgruppen zu zentralen Themen wie der Gesundheitsversorgung in Gefängnissen, der Situation in Hochsicherheitsanstalten, dem Umgang mit Frauen-, Kinder- und LGBTQ+-Gefangenen sowie der Stärkung der interinstitutionellen Kooperation statt. Die Diskussionen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Durch Kooperation mehr Druck aufbauen

Yusuf Erdoğan, Ko-Sprecher der zentralen IHD-Gefängniskommission, kündigte an, die Ergebnisse der Workshops in Kürze in einer Abschlusserklärung öffentlich zu machen. Ziel sei es, die Kräfte zu bündeln und in Hinblick auf geplante Gesetzesänderungen, insbesondere bei der Strafvollzugsreform, gemeinsam kampagnenfähig zu werden. „Wir wollen durch Kooperation mehr Druck aufbauen, um die Rechte von Gefangenen effektiv zu verteidigen und strukturelle Veränderungen zu erreichen“, betonte Erdoğan.