Die Generalstaatsanwaltschaft von Şırnak hat das Ermittlungsverfahren zum Tod von Asya Yüksel eingestellt. Es gebe keinen Anlass zu einer Anklage, da die Sicherheitskräfte nicht rechtswidrig, sondern in Notwehr gehandelt hätten, begründete die Staatsanwaltschaft ihre Entscheidung. Yüksel, die damalige Ko-Vorsitzende des Volksrates von Cizîr (Cizre), war während der Militärbelagerung 2015-2016 von türkischen Sicherheitskräften ermordet worden. Die vertretenden Anwälte kündigten an, der Einstellung des Verfahrens zu widersprechen
Was war passiert?
Am 4. September 2015 verhängte die Türkei über Cizîr eine erste Ausgangssperre. Es war die erste einer langen bis heute nicht abreißenden Kette von Ausgangssperren. Während dieser ersten Ausgangssperre griff der türkische Staat mit allen Kräften, die ihm dabei zur Verfügung standen bis an die Zähne bewaffnet mit konventionellen Waffen, neun Tage lang die Stadt an. Eine Gruppe Jugendlicher stellte sich ihnen damals entgegen. 21 Tote, dutzende Verletzte und hunderte zerstörte Häuser und Wohnungen hatte der neuntägige Angriff des türkischen Staates auf Cizîr zur Folge. Der Widerstand der Bevölkerung und die Reaktion der Öffentlichkeit führte dazu, dass die erste Ausgangssperre dieser Art nur neun Tage andauerte und es den Kräften des Staates, trotz des Einsatzes aller Art schwerer Waffen, nicht gelang, in die Gebiete, die sich im Widerstand befanden, einzudringen.
Über die Kreisstadt in der Provinz Şirnex wurde am 14. Dezember 2015 erneut eine Ausgangssperre verhängt, die erst am 1. März 2016 wieder vollständig aufgehoben wurde. Bei den 79 Tage währenden Kämpfen starben 66 Mitglieder der zivilen Verteidigungseinheiten (YPS) und 213 Zivilist*innen. Über 150 Menschen wurden in den Stadtteilen Cûdî und Nur vor den Augen der Weltöffentlichkeit in den berüchtigten Todeskellern bei lebendigem Leib verbrannt. Auch Asya Yüksel kam in einem der Keller von Cizîr ums Leben, als sie wie so viele verletzt auf einen Krankenwagen wartete.
Rechtsverletzungen türkischer Sicherheitskräfte vor EGMR
Am morgigen Dienstag werden vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Rechtsverletzungen türkischer Sicherheitskräfte während der Ausgangssperre in Cizîr verhandelt. Konkret geht es bei der Verhandlung um die Fälle von Ömer Elçi und Orhan Tunç. Orhan Tunç war 2015 von Sicherheitskräften angeschossen worden. Da der Krankenwagen nicht zu ihm durchgelassen wurde, erlag er seinen Verletzungen. Beide Anträge werden als Präzedenzfälle behandelt.