EGMR: Ein Geburtstagskuchen für Öcalan ist keine Straftat

Das Anschneiden eines Geburtstagskuchens für Abdullah Öcalan stellt keine Straftat dar und rechtfertigt nicht eine Verurteilung zu einer Haftstrafe. Das hat der Europäische Menschengerichtshof entschieden und der Klägerin Schadensersatz zugesprochen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei erneut wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt. Die Straßburger Richter:innen entschieden, dass eine Kurdin aus Sêrt (tr. Siirt) nicht hätte wegen „Verherrlichung von Straftaten sowie Straftätern“ zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt werden dürfen, nur weil sie 2006 einen Kuchen anlässlich einer Geburtstagsfeier für Abdullah Öcalan anschnitt und unter Gästen verteilte. Vielmehr habe die damals 45-Jährige ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt (28154/20).

Die türkische Regierung war der Ansicht, dass das Verfahren gegen die Klägerin Fehime Ete fair gewesen sei und behauptete, durch die strafrechtliche Verfolgung der sechsfachen Mutter legitime Ziele verfolgt zu haben; nämlich den Schutz der nationalen Sicherheit und territorialen Integrität, die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Verhinderung von Kriminalität. Den Geburtstag von Abdullah Öcalan zu feiern und dazu noch einen Kuchen zu verteilen, sei kein Akt der freien Meinungsäußerung gewesen, sondern eine Straftat. Demzufolge stand die Strafe für Ete „in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten berechtigten Ziel“, meinte Ankara.

Der Argumentation widerspricht der EGMR in seinem Urteil. „Der Gerichtshof der Ansicht, dass die Regierung nicht nachgewiesen hat, dass der Eingriff einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprach, verhältnismäßig zu den verfolgten Zielen war und ob die Regierung relevante und ausreichende Argumente für dessen Rechtfertigung vorgebracht hat.“ Ein Kuchen zum Geburtstag von Öcalan dürfe in einer demokratischen Gesellschaft nicht als „Verherrlichung von Straftaten oder Straftätern“ geahndet werden, befand das Gericht und sprach Fehime Ete Schadensersatz in Höhe von 2.000 Euro sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.500 Euro zu.