Athen: Kurdischer Flüchtling seit zwei Monaten im Hungerstreik

Seit 60 Tagen ist Anwar Nilufary aus Ostkurdistan vor dem Athener Büro des UNHCR im Hungerstreik. Der 34-jährige Bauingenieur fordert eine Neuansiedlung, das UN-Flüchtlingskommissariat verweigert ihm inzwischen sogar den Zutritt in das Gebäude.

Den 60. Tag in Folge ist der aus Ostkurdistan stammende Flüchtling Anwar Nilufary vor dem Athener Büro des UNHCR im Hungerstreik. Mit der Aktion fordert der in Griechenland anerkannte Flüchtling eine Neuansiedlung in ein anderes EU-Land, doch das UN-Flüchtlingskommissariat verweigert ihm inzwischen sogar den Zutritt in das Gebäude – per einstweiliger Verfügung. Fünf Mal ist Nilufary eigenen Angaben nach bereits vorübergehend festgenommen worden, mehrmals landete er vor Gericht und musste sogar einen Monat in einem Internierungslager verbringen. Außerdem wurden bisher drei seiner Mobiltelefone beschlagnahmt, erklärte er gegenüber Evrensel. Griechenland hat kein funktionierendes Schutzsystem für Geflüchtete, beklagt der 34-Jährige, es mangele an allem: Unterkünfte, Nahrungsmittel, medizinische Basisversorgung und Rechtsschutz. Die anderen Staaten der Europäischen Union sehen dem Elend der Flüchtlinge zu. Und legale Möglichkeiten, in Drittländer weiterzureisen, werden den meisten Flüchtlingen verweigert.

So auch im Fall von Nilufary. 2005 verließ er seine Heimat Ostkurdistan und ging zum Studium nach Hewlêr (Erbil). An der Salahaddin-Universität beendete er erfolgreich seine Ausbildung zum Bauingenieur. Im Jahr 2014 gelangte Nilufary über die Türkei auf die griechischen Inseln, kurz danach wurde ihm der Flüchtlingsstatus zugesprochen. Doch fast wäre er auf dem Weg dorthin ertrunken. „Die Schmuggler sagten, wir wären in anderthalb Stunden in Griechenland. Aber die schreckliche Reise dauerte zwölf Stunden. Zu 34 Personen saßen wir in dem Boot, und wir alle dachten, wir würden sterben. Es war ein Wunder, dass wir Europa überhaupt erreicht haben“, so Nilufary.

Da ein positiver Asylbescheid in Griechenland das Leben von Flüchtlingen nicht etwa einfacher, sondern schwieriger macht, versuchte der Kurde 2015 in Schweden sein Glück. Kaum eingereist, wurde er auf Grundlage der Dublin-3-Verordnung wieder in seinen Erstankunftsstaat in der EU – also Griechenland – zurückgeschoben. Seitdem ist Nilufary auf der Michalakopoulou-Straße im Zentrum von Athen im Dauerprotest.

Über einen Resettlement-Platz, also die dauerhafte Neuansiedlung von Flüchtlingen in einem zur Aufnahme bereiten Drittstaat, der ihnen vollen Schutz gewährt und ihnen die Möglichkeit bietet, sich im Land zu integrieren, kann nur das UNHCR entscheiden. Anwar Nilufary reichte bereits direkt nach seiner Rückschiebung aus Schweden entsprechende Anträge ein. „Es muss ja nicht unbedingt ein EU-Land sein. Auch Kanada oder die USA würden in Frage kommen. Aber ich erhielt vom UNHCR immer wieder die gleiche ablehnende Antwort. Für mich sei es nicht möglich, am Resettlement-Programm teilzunehmen.”

Für Nilufary ist es bereits der zweite Hungerstreik gegen die Vereinten Nationen. 2017 protestierte er von März bis Mai gegen die Ignoranz seiner Situation gegenüber, die er selbst als „Gefangenschaft” bezeichnet. „So etwas wie Demokratie für Flüchtlinge existiert in Griechenland nicht. Unzählige Briefe habe ich bereits an den Ministerpräsidenten, das Parlament und andere Ministerien geschrieben. Ich habe mich sogar an die Europäische Kommission gewandt. Im Gegenzug wurde ich 23 Mal vor Gericht gestellt und fünf Mal eingesperrt. Die Behörden erwarten, dass wir Flüchtlinge für weniger Lohn arbeiten als ihn Migranten bekommen. Sie sollten sich bei mir entschuldigen. Sie müssen den irreparablen Schaden kompensieren, den sie meinem Leben zugefügt haben“, verlangt Nilufary.

Am Wochenende appellierte das Internationale Zentrum für Menschenrechte (ICHR) an „demokratische Länder”, Anwar Nilufary zu helfen. „Wir fordern mit Nachdruck, ernsthafte Maßnahmen für Nilufary zu ergreifen. Länder wie Kanada, die USA, Australien oder andere EU-Länder müssen sich dafür einsetzen, dass er aus der seit inzwischen sechs Jahren anhaltenden Unsicherheit gerettet wird, die ihn in den Hungerstreik getrieben hat. Anwar Nilufarys Leben ist in Gefahr. Er braucht eine Chance auf Leben und die Hoffnung, um der dunklen Angst zu entkommen.”

Mit dem Hashtag #ReleaseAnwarNow macht Anwar Nilufary bei Twitter auf seinen Protest aufmerksam