Die Amnesty-Vertreter:innen Taner Kılıç, İdil Eser, Günal Kurşun und Özlem Dalkıran sind am Dienstag von einem Gericht in Istanbul freigesprochen worden. Amnesty International begrüßt diese Entscheidung als lange überfälligen Schritt und erklärt: „Die Menschenrechtsverteidiger:innen hätten nie angeklagt oder inhaftiert werden dürfen. Alle Vorwürfe gegen sie sind konstruiert und wurden vor Gericht widerlegt.“ Das Verfahren habe „den politisch motivierten Charakter der Verfolgungen“ verdeutlicht.
Taner Kılıç, AI-Ehrenvorsitzender in der Türkei, die ehemalige Amnesty-Direktorin İdil Eser sowie die langjährigen Mitglieder Günal Kurşun und Özlem Dalkıran waren im Sommer 2017 zusammen mit sieben weiteren Menschenrechtsverteidiger:innen wegen „Terrorvorwürfen“ festgenommen worden. Acht Betroffene, darunter İdil Eser, Günal Kurşun, Özlem Dalkıran und der deutsche Menschenrechtstrainer Peter Steudtner, saßen fast vier Monate in Untersuchungshaft. Taner Kılıç verbrachte über 14 Monate in Untersuchungshaft.
Im Verlauf des Prozesses wurden die „Terrorismus"-Vorwürfe gegen die elf Angeklagten umfassend widerlegt, sogar durch eigene Beweise der türkischen Behörden. Trotzdem verurteilte ein Strafgericht in Istanbul Taner Kılıç am 3. Juli 2020 zu sechs Jahren und drei Monaten Haft wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation". İdil Eser, Özlem Dalkıran und Günal Kurşun wurden zu zwei Jahren und einem Monat Haft wegen „Unterstützung einer Terrororganisation" verurteilt. Peter Steudtner und die weiteren Angeklagten wurden freigesprochen.
Im Mai 2022 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Untersuchungshaft von Taner Kılıç rechtswidrig und willkürlich war und ebenso wie das Strafverfahren gegen ihn unmittelbar mit seiner Tätigkeit als Menschenrechtsverteidiger zusammenhängt.
Im November 2022 hob das Oberste Berufungsgericht der Türkei die Urteile gegen Taner Kılıç, İdil Eser, Günal Kurşun und Özlem Dalkıran auf, am Dienstag schloss sich das Gericht in Istanbul dieser Entscheidung an und sprach die vier Menschenrechtsverteidiger:innen frei. Der Prozess wurde von einer internationalen Amnesty-Delegation beobachtet, darunter auch der Vorstandssprecher von AI in Deutschland, Wassily Nemitz.
„Das Verfahren steht exemplarisch für die systematische Verfolgung der Zivilgesellschaft durch die türkische Regierung. Die Justiz in der Türkei wird seit Jahren instrumentalisiert, um kritische Stimmen einzuschüchtern und mundtot zu machen. Menschenrechtsverteidiger:innen, Oppositionelle und Journalist:innen sitzen in Haft oder müssen sich in absurden Verfahren vor Gericht verantworten. Amnesty International steht weiter an der Seite der Zivilgesellschaft in der Türkei“, so die Menschenrechtsorganisation.
Foto: Amnesty Türkiye