Alan Kurdi rettet 78 Menschenleben

Bei gleich zwei Einsätzen an einem Tag konnte die Crew des Schiffes „Alan Kurdi“ insgesamt 78 Menschenleben retten.

Am Samstagmorgen wurde das deutsche Rettungsschiff „Alan Kurdi“ des Regensburger Vereins Sea Eye e.V. über einen Seenotfall informiert. Die Organisation Watch the Med - Alarmphone erhielt von den Menschen an Bord des Schlauchbootes einen Notruf und leitete diesen an das Rettungsschiff und die zuständigen Behörden weiter.

Nach mehreren Stunden wurde das Boot gegen neun Uhr gefunden. Zu dem Zeitpunkt drang bereits Wasser in das Schlauchboot ein, dessen Hülle aus dünnem Material, ähnlich einer LKW-Plane bestand. Unter den 62 Geretteten befinden sich acht Frauen und sieben Kinder, das jüngste Kind ist gerade einmal sechs Monate alt.

Kurze Zeit nach der Rettung war ebenfalls ein Schiff der sogenannten libyschen Küstenwache vor Ort und wies die Alan Kurdi an, die libysche Such- und Rettungszone zu verlassen.

„Die sogenannte libysche Küstenwache behandelt eine Such- und Rettungszone wie ein Territorialgewässer, bedrängt wiederholt zivile Rettungskräfte und erteilt unrechtmäßige Anweisungen. Diese Kompetenz steht ihnen überhaupt nicht zu und die von der EU unterstützten Milizen nehmen damit bewusst die Gefährdung von Menschenleben in Kauf”, sagte die Einsatzleiterin Johanna Pohl von Bord des Schiffes.

Wenige Minuten nach der Rettung erreichte die Alan Kurdi der Hilferuf eines Frachtschiffes, das ein Boot in Seenot gesichtet hatte. Die Alan Kurdi erreichte das mit 16 Personen besetzte Boot am frühen Nachmittag und evakuierte das seeuntüchtige Boot ebenfalls. Drei Personen waren stark dehydriert und wurden an Bord sofort medizinisch behandelt.

Auch wenn die Zuweisung eines Hafens für Rettungsschiffe sich in den letzten Wochen gebessert hat, ist es noch zu früh, von einer Normalisierung der Seenotrettung nach völkerrechtlichen Standards zu sprechen.

„Es ist eine seerechtliche Pflicht, die Menschen schnell an einen sicheren Ort bringen zu müssen. Auch wenn wir Ansätze eines Verteilungsmechanismus sehen, muss der Schutz der Menschen an oberster Stelle stehen. Die EU und alle ihre Mitgliedstaaten müssen Italien dabei unterstützen und sich im europäischen Sinne solidarisch verhalten. Das Mittelmeer darf kein schutzloser Raum bleiben”, sagt der Sprecher von Sea-Eye, Julian Pahlke.

Der Verein Sea-Eye: Zehntausende Menschenleben gerettet

Der Verein Sea-Eye e.V. wurde 2015 in Regensburg gegründet. Mit den umgerüsteten Fischkuttern „Sea-Eye" und „Seefuchs" beteiligten sich mehr als 800 ehrenamtliche Rettungskräfte in über 60 Missionen unter niederländischer Flagge an der Rettung von 14.906 Menschen. Im Sommer 2018 entschied die Vereinsführung, ein neues Schiff unter deutscher Flagge in den Einsatz zu senden. Die Alan Kurdi war das erste Schiff einer Hilfsorganisation unter der Bundesflagge. Ihr Einsatz rettete bis heute 538 Menschen das Leben.

Alan Kurdi

Alan Kurdi, dessen Leichnam nach Ertrinken an der türkischen Küstenstadt Bodrum angeschwemmt wurde, wurde 2015 zum Symbol der Flüchtlingskrise. Seine Familie stammt aus Kobanê in Nordsyrien/Westkurdistan. Als sich der Bürgerkrieg in Syrien intensivierte, siedelte der Vater Abdullah Kurdi allein in die Türkei über und arbeitete in Istanbul zwei Jahre in der Textilindustrie. Als die Bombardierung von Kobanê begann, holte er seine Familie nach. Nachdem Bemühungen einer in Vancouver lebenden Tante des Jungen, eine legale Überführung nach Kanada zu organisieren, fehlgeschlagen waren, entschied sich die Familie, mithilfe von Schleppern die griechische Insel Kos zu erreichen. Bei dem Versuch, das Mittelmeer auf einem Schlepperboot zu überqueren, kenterte das Boot im hohen Wellengang. Neben Alan ertranken auch sein fünfjähriger Bruder Galip, seine Mutter Rehan und neun weitere Menschen. Neun Menschen konnten gerettet werden, von der Familie Kurdi überlebte nur der Vater Abdullah.