978 tote Gefangene in der Regierungszeit der AKP
In den zwanzig Jahren AKP-Regierung in der Türkei sind knapp 1000 Gefangene ums Leben gekommen. Fatin Kanat vom Menschenrechtsverein IHD in Ankara spricht von einer „Bilanz der Schande“.
In den zwanzig Jahren AKP-Regierung in der Türkei sind knapp 1000 Gefangene ums Leben gekommen. Fatin Kanat vom Menschenrechtsverein IHD in Ankara spricht von einer „Bilanz der Schande“.
In der Türkei gibt es 314.502 Untersuchungs- und Strafgefangene. Nach Angaben des Menschenrechtsvereins IHD sind mindestens 1.605 von ihnen aufgrund ihres Gesundheitszustands haftunfähig, 604 sind so schwer krank, dass sie sich nicht allein versorgen können. Viele der kranken Gefangenen sterben aufgrund mangelnder hygienischer Bedingungen, unzureichender Ernährung oder fehlender medizinischer Behandlung. Ständig werden neue verdächtige Todesfälle aus den Gefängnissen gemeldet. Als Todesursache wird entweder Selbstmord oder eine Erkrankung angegeben. Trotz der Anträge verschiedener Organisationen, Angehöriger und Anwält:innen werden verdächtige Todesfälle nicht untersucht, sondern im Gegenteil vertuscht.
978 Tote in 20 Jahren AKP-Regierung
Seit der Machtübernahme der AKP im Jahr 2002 sind insgesamt 978 Menschen in türkischen Gefängnissen gestorben – durch Folter, Suizid, Hungerstreiks gegen die Haftbedingungen oder weil sie keinen Zugang zu gesundheitlicher Versorgung hatten. Gegenüber ANF sagte Fatin Kanat, Ko-Vorsitzender der IHD-Zweigstelle Ankara: „978 Menschen sind eine sehr hohe Zahl. Natürlich gibt es Menschen, die an Krankheiten verstorben sind, aber es gibt auch eine ganze Reihe von Gefangenen, die durch Misshandlung und Folter ums Leben gekommen sind, insbesondere seit den 2010er Jahren, und die als verdächtige Todesfälle aufgeführt sind. Daher ist dies eine schreckliche Bilanz, von der wir nicht wissen, wo wir sie in Bezug auf die Menschenrechte einordnen sollen. Eine Bilanz der Schande. Leider ist es keine Bilanz, die der Praxis des Staates sehr zuwiderläuft."
Gefängnisse als Mikrokosmos der Türkei
Das IHD-Büro in Ankara veröffentlicht jeden Samstag einen Bericht über den Zustand kranker Gefangener, die von dem Menschenrechtsverein betreut werden. Kanat erklärte dazu: „Manchmal werden sie am Rande des Todes zurückgelassen, manchmal sterben sie in einem Krankenhauszimmer oder in einer Krankenstation im Gefängnis. Was sich in den Gefängnissen abspielt, spiegelt die Art und Weise wider, wie dieses Land regiert wird: Folter, Todesfälle als Resultat der erlittenen Misshandlung, entwürdigende Leibesvisitationen, sexuelle Übergriffe, willkürliche Disziplinarstrafen, Verweigerung des Zugangs zu einem Rechtsbeistand und Angehörigen, Isolationsmaßnahmen.“
„In den wenigsten Fällen können wir etwas erreichen“
Die Anträge des IHD auf Untersuchung der Todesfälle führten zu keinem Ergebnis, erklärte Kanar und fuhr fort: „Wir versuchen ständig, diese Todesfälle und die Situation der kranken Gefangenen auf die Tagesordnung zu setzen und sie zu dokumentieren. Wir schreiben die zuständigen Institutionen an und stehen auch mit internationalen Institutionen und Organisationen in Verbindung. In den letzten drei Monaten haben wir 90 Unterstützungsanfragen von Gefangenen erhalten. Wir fordern ihre Rechte ein, führen Schriftverkehr mit dem Gerichtsmedizinischen Institut (ATK) und anderen Einrichtungen und bemühen uns um ein Follow-up. In den wenigsten Fällen können wir etwas erreichen. Insbesondere bei den verdächtigen Todesfällen kommen wir nicht weiter.“
„Wir führen Buch über die Rechtsverletzungen“
Der Menschenrechtsverein dokumentiert alle verdächtigen Todesfälle und die Situation kranker Gefangener und macht Öffentlichkeitsarbeit dazu. Der IHD-Vorsitzende Fatin Kanat aus Ankara sieht diese Arbeit als Dokumentation für die Geschichte und die Zukunft: „Wir führen Buch darüber, was in den Gefängnissen geschieht und wie das Recht auf Leben verletzt wird. Ich wünschte, wir könnten mehr tun. Es sind die Bürokraten des Justiz- und Innenministeriums sowie die Praxis der derzeitigen Regierung, die eine Blockade darstellen.“