Zwangsverwalter in Qers ernannt

Nach dem Rücktritt des inzwischen verhafteten Bürgermeisters Ayhan Bilgen und der Festnahme von Şevin Alaca, der weiblichen Hälfte der genderparitätischen Doppelspitze im Rathaus von Qers, wird die kurdische Stadt nun von einem Zwangsverwalter regiert.

In der Stadt Qers (türk. Kars) im Norden Kurdistans ist ein Zwangsverwalter ernannt worden. Damit werden inzwischen 52 von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) bei den letzten Kommunalwahlen gewonnene Rathäuser von einem sogenannten Treuhänder regiert. Der ehemalige Ko-Bürgermeister Ayhan Bilgen, gegen den heute in Ankara Haftbefehl erlassen wurde, war am Mittwoch von seinem Amt zurückgetreten, um die Einsetzung eines Regimebeamten in seiner Stadt zu verhindern. Am Vortag wurde mit Şevin Alaca dann auch die weibliche Hälfte der genderparitätischen Doppelspitze im Rathaus von Qers festgenommen.

Auch vier Bezirksverordnete sowie zwei Provinzratsmitglieder der HDP, allesamt aussichtsreiche Kandidat*innen für den Bürgermeisterposten, sowie vierzehn weitere Personen aus den örtlichen HDP-Strukturen wurden zeitgleich mit Alaca in Gewahrsam genommen. Allen zwanzig Festgenommenen wird Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. Den Zwangsverwalter stellt der Provinzgouverneur Türker Öksüz.

Die Ernennung von Zwangsverwaltern wird seit vier Jahren vom türkischen Staat als Waffe gegen die kommunale kurdische Selbstverwaltung eingesetzt. Das Regime nutzt zur Zerschlagung stets das gleiche Muster. Zunächst finden Razzien statt, Ko-Bürgermeister*innen werden festgenommen, Rathäuser umstellt und anschließend „Treuhänder“ ernannt.

Ayhan Bilgen (l.) und Şevin Alaca

Die HDP war aus den Kommunalwahlen am 31. März 2019 als Siegerin in Nordkurdistan hervorgegangen. Zuvor hatte der türkische Regimechef Recep Tayyip Erdoğan bereits angekündigt, alle HDP-Kommunalverwaltungen im Falle eines Wahlsiegs zu okkupieren. So praktiziert die türkische Regierung eine Politik, die von der kurdischen Bevölkerung treffend als „Putsch“ bezeichnet wird. Dutzende Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wurden zudem verhaftet. Sechs gewählte Bürgermeister*innen konnten nach der Wahl ihr Amt gar nicht erst antreten, weil der Wahlausschuss ihnen die Anerkennung verweigerte. An ihrer Stelle waren trotz Wahlniederlage die AKP-Kandidaten zu Bürgermeistern ernannt worden.