„Wir warteten mit dem Finger am Abzug im Tunnel“

„Es war ein Trupp aus zwölf Personen, sie kamen mit Hunden und militärischer Ausrüstung auf den Tunnel zu. Zwischen uns und ihnen lagen noch etwa fünfzig Meter. Wir erwarteten sie mit dem Finger am Abzug“, berichtet der HPG-Kämpfer Devrim Garzan.

Der HPG-Kämpfer Devrim Garzan hat 2022 an der Guerillaoffensive „Zagros-Falken“ (Pêngava Bazên Zagrosê) gegen die türkische Invasion in den Medya-Verteidigungsgebieten teilgenommen und berichtet vom Widerstand in den unterirdischen Verteidigungsstellungen. Er weist darauf hin, dass die Invasion im April vergangenen Jahres mit massiven Bombardierungen aus der Luft und dem Einsatz moderner Waffentechnologie in den Regionen Zap, Metîna und Avaşîn angefangen hat, und sagt: „Die türkische Armee war sich ihrer selbst sehr sicher und glaubte, das Gelände innerhalb kurzer Zeit einzunehmen und die Guerilla zu vertreiben. Diese Rechnung ging jedoch nicht auf, denn die Freundinnen und Freunde hatten große Vorbereitungen gegen jede Form von Technologie getroffen.“

Der erste Angriff auf den Tunnel

Nach den flächendeckenden Bombardierungen der ersten Tage sei durch intensive Hubschrauberbewegungen und eingeflogene Truppen offensichtlich geworden, dass die türkische Armee den Girê Werxelê einzunehmen versuchte, erzählt Devrim Garzan vom Beginn der Invasion:

„Wir hatten nur begrenzte Mittel zur Verfügung, aber uns wurde klar, dass der Feind den Şehîd-Têkoşer-Tunnel angreifen wird. Während die Besatzungstruppen vorrückten, wurden sie fast zehnmal mit schweren Waffen beschossen und getroffen. Es war ein Trupp aus zwölf Personen, sie kamen mit Hunden und militärischer Ausrüstung auf den Tunnel zu. Die Freundinnen und Freunde im Tunnel erwarteten sie. Auch die anderen Freundinnen und Freunde beobachteten den Feind aus ihren Stellungen. Zwischen uns und dem feindlichen Trupp lagen noch etwa fünfzig Meter. Die Besatzerarmee hatte auch in der Nähe des Tunnels Soldaten positioniert. Ihr Ziel war es, den Eingang des Tunnels schnell zu erreichen und zu sprengen.

Und wir warteten mit dem Finger am Abzug am Eingang und den Fenstern des Tunnels. Wir ließen sie bis zu dem Bereich zwischen Eingang und Fenstern vorrücken. Als sie dort ankamen, griffen wir mit leichten Waffen und Handgranaten an. Dort starben drei Soldaten der Besatzungstruppen, zwei weitere wurden schwer verwundet. Weil wir massiv unter Feuer standen, konnten wir die Verwundeten nicht erreichen. Die Verletzten schrien ihren Kommandanten zu: ,Warum habt ihr uns hier hergebracht, was haben wir hier zu suchen.' Die beiden Verwundeten starben später auch.

Die Leichen der Soldaten waren bis zum Abend unter unserer Kontrolle. Niemand kam und versuchte, sie zu bergen. Als die Angriffe nachts intensiver wurden, zogen wir uns an einen sicheren Punkt zurück. Unser Ziel hatten wir ja bereits erreicht. Die Gefechte dauerten bis zum frühen Morgen an. Auch die Freundinnen und Freunde im Gelände griffen mehrmals die Soldaten an, die sich dort positionieren wollten. Insgesamt sind bei den Aktionen und Gefechten 26 Soldaten der Besatzungstruppen gestorben, 30 Soldaten wurden verletzt. Nach diesem schweren Schlag konnte sich der Feind nur an einem einzigen Punkt halten. Alle weiteren Angriffe auf den Tunneleingang am Girê Werxelê erfolgten aus großer Distanz.“

Sie konnten zwei Wochen nicht vorrücken“

In der ersten Woche habe sich die Armee dem Tunnel nicht nähern können, berichtet der HPG-Kämpfer. In der zweiten Woche folgte ein weiterer Versuch der Besatzungstruppen. Der Vorstoß wurde durch Aktionen der Guerillakämpfer:innen im Gelände vereitelt: „Dem Feind gelang es zwei Wochen lang nicht, sich dem Eingang unseres Tunnels zu nähern. Und er hatte schwere Verluste. Daraufhin griff er erneut auf massive Luftangriffe zurück.“

Während die türkische Armee sich außerhalb des Tunnels zu halten versuchte, hätten sie die Gespräche unter den Soldaten verfolgen können, sagt Devrim Garzan: „Aus diesen Gesprächen hörten wir heraus, dass ihnen die Kraft ausgegangen ist und sie nicht wissen, mit welcher Methode sie uns angreifen sollen. Einmal wurde ihnen von einem Kommandanten über Funk befohlen, sie sollten uns zur Kapitulation auffordern. Sie hatten zwar gesehen, dass die Guerilla einen stählernen Willen hat, aber weil ihr Kommandant es so wollte, machten sie mehrmals solche Aufrufe mit belanglosen Versprechungen.“

Der Feind war bewegungsunfähig“

Devrim Garzan weist auf die Dimension des Guerillawiderstands gegen die türkische Armee hin und sagt abschließend: „Durch die Verbundenheit der Freundinnen und Freunde ist ein Wille entstanden, der sich nicht brechen lässt. Je mehr der Feind angriff, desto stärker war der Wunsch, sich ihm opferbereit entgegen zu stellen. Alle konzentrierten sich auf das Ziel, den Feind zu besiegen. Der Feind befand sich ja auch überall in einer schwierigen Position. Er war bewegungsunfähig. Weder sein Wille noch seine Technologie und seine brutalen Methoden haben ausgereicht, um unseren Willen zu brechen.“