„Wir lassen uns nicht einschüchtern“

Cihan Karaman und Hümeyra Armut sind die HDP-Ko-Bürgermeister*innen der nordkurdischen Stadt Colemêrg. Sie übernahmen die Stadtverwaltung aus der Zwangsverwaltung verschuldet und ausgeschlachtet.

Nach dem Wahlsieg der Demokratischen Partei der Völker (HDP) übernahmen Cihan Karaman und Hümeyra Armut das Amt der Ko-Bürgermeister*innen von Colemêrg (Hakkari) aus den Händen des per Ausnahmezustandsdekret vom AKP-Regime eingesetzten Treuhänders. Wir sprachen mit den Ko-Bürgermeister*innen über ihre bisherige Arbeit.

Der Ko-Bürgermeister Cihan Karaman berichtet von der Verwüstung, die zweieinhalb Jahre Zwangsverwaltung verursacht haben. Er beschreibt, wie der Zwangsverwalter von ihnen entwickelte Projekte halbfertig kaltgestellt hat und seine miserable Arbeit als Dienst an der Bevölkerung darstellte. Während der Zwangsverwaltung wurde das gesamte Personal der Stadtverwaltung gegen Personen aus anderen Regionen, die dem Zwangsverwalter nahestanden, ausgetauscht. Alle Ausschreibungen, das Rathaus inklusive, wurden zu Höchstpreisen an das Klientel des Staatsbeamten vergeben: „Bei den Angeboten war klar, dass es hier nicht um einen Dienst an der Bevölkerung, sondern am eigenen Klientel ging. Zum Beispiel gab es eine Ausschreibung für Straßenbau für elf Millionen Lira. Als die Straßen gebaut waren, wurde eine Ausschreibung für Gas-Leitungen gemacht. Niemand hat gesagt, dass erst die Infrastruktur notwendig ist und man dann darüber baut. Die Straßen müssen jetzt alle wieder aufgerissen werden, um die Gasleitungen zu verlegen. Nun sind elf Millionen Lira für die Tonne. Wer gewinnt dadurch? Die AKPler, welche die Ausschreibung gewonnen haben.“

Die „Arbeiten“ des Zwangsverwalters hätten vor allem seiner Selbstdarstellung gedient, betont Karaman, das Geld der Menschen von Colemêrg sei verschwendet worden. „Stellen Sie sich vor, bei eiskaltem Wetter sind die Straßen geteert worden. Diese Straßen sind jetzt alle völlig kaputt. Das wurde nicht als Dienstleistung getan, sondern um die Leute zu blenden“, erläutert Karaman. „Jede dieser Arbeiten wurde für uns zu einer Last. Wir werden nach jedem Cent fragen, der den Menschen von Colemêrg verloren gegangen ist.“ Er berichtet weiter, dass ein Projekt für Radwege vom Zwangsverwalter begonnen wurde, das zu 90 Prozent vom Staat garantiert war, die Garantie wurde jedoch nach der Wahlniederlage der AKP zurückgezogen.

Der Gouverneur verhindert die Umsetzung von Projekten

Seit sie im Amt sind, haben sie viele Projekte vorbereitet, wurden aber immer wieder durch den Gouverneur behindert, betont Ko-Bürgermeisterin Armut. Der Zwangsverwalter habe viele Menschen in Bereichen angestellt, in denen niemand gebraucht werde, während an wichtigen Stellen Fachleute fehlen. Neuanstellungen werden aber durch den Gouverneur verhindert. Armut betont, dass eines der wichtigsten Probleme von Colemêrg die Wasserfrage sei. Sie haben den Menschen in Colemêrg versprochen, ihnen zumindest 18 Stunden am Tag Wasser zur Verfügung zu stellen. Das System breche jedoch immer wieder zusammen. Die verantwortlichen Dienstleister sitzen in Samsun und unternehmen nichts, um die Probleme mit dem Wassersystem zu beheben. Armut dazu: „Wir haben begonnen, uns auf die Suche nach einer dauerhaften Lösung zu machen. Wenn wir in Colemêrg ein Team Reparaturarbeiter finden, kann sofort interveniert werden. Wir werden das Problem lösen.“


Sie berichtet, man habe auch angefangen die Straßen auszubauen und werde mindestens die Hauptstraßen reparieren. Auch werde man das Projekt der Radwege abschließen, auch wenn der Staat sich aus der Finanzierung zurückgezogen hat. Über die weiteren Pläne sagt Armut: „Wir planen in jedem Viertel ein öffentliches Backhaus einzurichten. Wir werden an den Häusern Märkte einrichten. So werden wir sowohl unsere Kultur, als auch unsere Werte weitertragen und für ein kontinuierliches Einkommen von Frauen sorgen.“