Weiteres Massengrab in Şengal geöffnet

In Şengal wurde das 54. Massengrab geöffnet. Der selbsternannte IS verscharrte bei seinem Genozid an der ezidischen Bevölkerung seine Opfer in zahlreichen Massengräbern. Rund 94 davon wurden bisher gefunden, viele jedoch bis heute nicht exhumiert.

Vierundfünfzigste Exhumierung

Wie irakische Behörden angaben, wurde gestern mit der 54. Öffnung eines Massengrabes in Şengal begonnen. Ersten Angaben zufolge handelt es sich bei den Leichen vermutlich um schiitische Opfer aus Şengal, die vom selbsternannten Islamischen Staat (IS) getötet wurden.

Etliche Opfer noch nicht identifiziert

Je nach Zählung wurden bisher mehr als 94 Massengräber in Şengal gefunden. Von diesen wurden bislang nur 54 geöffnet. Erst kürzlich wurde in der Gemeinde Tilbenat ein weiteres Massengrab ausfindig gemacht, in dem die Knochen vieler Menschen in einem Wassertank vorgefunden wurden.
Insgesamt wurden bereits Tausende Knochen gefunden, doch nur einige von ihnen wurden identifiziert und ihren Angehörigen übergeben. Andere Überreste von Opfern befinden sich im forensischen Krankenhaus von Bagdad. Da die DNA-Tests derzeit unvollständig sind, konnten die Identitäten noch nicht festgestellt werden.

Forderungen bleiben unbeachtet

Die ezidische Gemeinschaft und vor allem die Institutionen des Demokratischen Autonomierat Şengals (MXDŞ) forderten die verantwortlichen Stellen mehrfach auf, sofort mit der Exhumierung der identifizierten Gräber zu beginnen und das Schicksal der vermissten Menschen zu klären. Doch bisher habe die irakische Regierung diesen Forderungen kein Gehör geschenkt.

Tausende werden noch immer vermisst

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) hat der „IS“ mehr als 200 Massengräber im Irak hinterlassen, in denen sich bis zu 12.000 Leichen befinden könnten. Bei einem Großteil der Opfer handelt es sich um Ezid:innen aus Şengal. Dort hatte die Terrororganisation im August 2014 einen Genozid und Feminizid verübt und etwa 10.000 Menschen ermordet.
Über das Schicksal von 2.594 Ezid:innen fehlt laut Angaben der Free Yezidi Foundation mit Stand vom Dezember 2024 noch immer jegliche Information.

Arbeit des UN-Ermittlungsteams

Das vom UN-Sicherheitsrat 2017 eingesetzte UN-Ermittlungsteam zu den Verbrechen des „IS“ („United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da’esh/ISIL“ UNITAD) hat sich in den vergangenen Jahren intensiv der Aufarbeitung der Verbrechen an der ezidischen Gemeinschaft gewidmet. Seine Tätigkeiten umfassten Aufgaben von forensischer Arbeit, inklusive der Exhumierungen im Nordirak, bis hin zur Untersuchung der Finanzströme der Terrororganisation.

Hoffnung auf echte Gerechtigkeit erstickt

Das Mandat von UNITAD lief auf Wunsch der irakischen Regierung zum 17. September 2024 aus. Als Grund gab die irakische Regierung an, mit der Zusammenarbeit mit UNITAD unzufrieden zu sein, insbesondere, weil Ermittlungsergebnisse an Drittstaaten, jedoch nicht an IRQ übergeben werden (da in Irak für IS-Terrorismus die Todesstrafe verhängt wird). Vertreter:innen der ezidischen Gemeinschaft und anderer Minderheiten kritisieren diese Entscheidung, handelt es sich doch bei UNITAD bislang um den einzigen (zwischen-)staatlichen Mechanismus zur rechtlichen Aufarbeitung.

Zahlreiche Organisationen kritisieren Entscheidung scharf

Fünfzig Organisationen äußerten daraufhin in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 12. September 2024 ihre Besorgnis zur Einstellung der UN-Ermittlungen:
„Viele Überlebende und die unterzeichnenden Organisationen sehen in UNITAD die einzige Hoffnung auf echte Gerechtigkeit im Irak. Würde die Arbeit der Organisation so abrupt eingestellt, während noch kein einziges ISIL-Mitglied im Irak wegen schwerer Völkerrechtsverbrechen (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen) vor Gericht gestellt wurde, wäre dies eine Katastrophe für die Überlebenden, den Irak und die internationale Gemeinschaft. Es würde das Signal aussenden, dass Gerechtigkeit keine wirkliche Priorität hat, dass das Vertrauen der Überlebenden umsonst aufgebaut wurde und dass ihre Zeugenaussagen und ständigen Forderungen nach Gerechtigkeit vergebens waren.“ https://www.yazda.org/concerns-about-the-non-renewal-of-unitads-mandate-in-iraq