Wan: Polizei löst Protest gegen sexualisierte Gewalt auf

Nach Bekanntwerden eines Falls systematischer Vergewaltigung einer 15-Jährigen aus Êlih wächst landesweit die Wut von Frauen, in etlichen Städten finden Proteste statt. In Wan stellte sich die Polizei auf die Seite der Täter und löste eine Kundgebung auf.

In Wan hat die Polizei eine Kundgebung für Frauenrechte gewaltsam aufgelöst. Die Sicherheitskräfte trennten die Demonstrierenden und zerrten sie auseinander. Der Protest der Bewegung Freier Frauen (TJA) und der Demokratischen Partei der Völker (HDP) fand vor dem Hintergrund der systematischen Vergewaltigung einer 15-jährigen Jugendlichen aus Kercews (türk. Gercüş) bei Êlih (Batman) statt. Die mutmaßliche Massenvergewaltigung des Mädchens durch 27 Männer, darunter Unteroffiziere, Polizisten und Dorfschützer in), versetzt seit dem Wochenende Frauenrechtlerinnen landesweit in Aufruhr.

Nach Auflösung der Kundgebung zog die Menschenmenge vor die HDP-Parteizentrale in Wan. Gülderen Varlı als Ko-Vorsitzende des Provinzverbands der Schwesterpartei DBP (Partei der demokratischen Regionen) wies auf den massiven Anstieg von Fällen sexueller Übergriffe und Vergewaltigungen von Frauen und die hohe Femizidrate hin. Die Politikerin erinnerte an den Fall Ipek Er, die im Sommer von einem Unteroffizier der türkischen Armee verschleppt, tagelang eingesperrt, vergewaltigt und in den Suizid getrieben worden ist. „Während Ipek unter der Erde liegt, befindet sich ihr Peiniger Musa Orhan auf freiem Fuß. Es ist diese Politik der Straflosigkeit, durch die sich Männer wie er bestätigt fühlen, patriarchale Gewalt zu organisieren. Die staatlichen Behörden stehen ihnen in nichts nach. Statt gegen die Täter aus Kercews zu ermitteln, wird gegen Menschen vorgegangen, die entgegen den Wünschen der Justiz gehandelt und ensprechende Meldungen trotz Nachrichtensperre verbreitet haben”, sagte Varlı.

Der HDP-Abgeordnete Murat Sarısaç erklärte, dass es sich bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen in Kurdistan und allgemein bei Verbrechen gegen den kurdischen Teil der Bevölkerung um eine zentral gesteuerte staatliche Politik handelt und Täter systematisch geschützt werden. Der Politiker zog einen Vergleich zur „Hubschrauber-Folter“ an Servet Turgut und Osman Şiban. Die beiden Dorfbewohner waren im September in Wan vom türkischen Militär verschleppt, gefoltert und aus einem Hubschrauber gestoßen worden. Einer der beiden, der 55 Jahre alte Servet Turgut, erlag am 30. September den ihm zugefügten Verletzungen. Gegen die beteiligten Soldaten wird nicht ermittelt, vier kurdische Journalistinnen und Journalisten, die den Vorfall öffentlich machten, sitzen wegen „staatsfeindlicher Berichterstattung über gesellschaftliche Ereignisse“ im Gefängnis. „Der Diskurs der Regierung legitimiert Verbrechen wie diese. Uns bleibt nur der Widerstand“, sagte Sarısaç. Die Kundgebung endete mit den Parolen „Wir werden kämpfend gewinnen“ und „Jin, Jîyan, Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit).