Im Flüchtlingslager Mexmûr in der Kurdistan-Region Irak (KRI) wird eine neue Doppelspitze gewählt für den Volksrat gewählt. Auch die Vorsitzenden der insgesamt sieben Ausschüsse des Gremiums werden neu bestimmt. Für die genderparitätische Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann treten vier Kandidierende an. Zur Wahl als Ausschussvorsitzende haben sich insgesamt 25 Personen aufgestellt. Sie werden für zwei Jahre gewählt.
Seit dem frühen Morgen herrscht hoher Andrang in den Wahllokalen. In jedem der acht Bezirke des Camps, in dem das Prinzip der Selbstverwaltung gilt, wurden Räume für die Abstimmung eingerichtet. Bis 17 Uhr wird noch votiert. Danach steht der spannendste Teil der Wahl an: der Akt der Stimmenauszählung. Mit einem ersten Ergebnis wird am Samstag gerechnet.
Die amtierende Ko-Vorsitzende Filiz Budak an der Wahlurne
Größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit
Im Flüchtlingslager Mexmûr, das etwa 60 Kilometer südwestlich von Hewlêr (Erbil) gelegen ist, leben mehr als 12.000 Menschen. Die meisten von ihnen waren in den 1990er Jahren aufgrund der Repression des türkischen Staates und der Politik der verbrannten Erde gezwungen, ihre Dörfer in der Botan-Region in Nordkurdistan zu verlassen. Nach einer mehrjährigen Odyssee und Aufenthalten in verschiedenen Camps haben sie 1998 am Rand der Wüste das Lager Mexmûr gegründet. Die Campbevölkerung bildet damit die größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit. Offiziell steht Mexmûr unter dem Schutz des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), die allerdings nur noch nominell präsent sind. Die Organisation verließ das Lager bei den Angriffen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Jahr 2014 und kehrte danach nicht mehr zurück.
Wahlhelferinnen bei der Arbeit
Zwischen Krieg, Embargo und Selbstverwaltung
Die Bewohnerinnen und Bewohner Mexmûrs haben inmitten einer Region politischer Instabilität eine Selbstverwaltung aufgebaut, die auf Demokratie und der Gleichberechtigung der Frau basiert. Eine kleine Stadt mit Schulen und Krankenhäusern, einer Konsumgenossenschaft, Grün- und Sportanlagen wurde errichtet. Dabei vertrauen die Menschen auf ihre eigenen Fähigkeiten und Hoffnungen und schaffen somit eine Alternative zu Krieg und Flucht. Doch immer wieder wird Mexmûr angegriffen, hauptsächlich von der Türkei. Die türkische Regierung hat das Lager im Rahmen ihres „Antiterrorkampfes” zum „PKK-Stützpunkt“ umgewidmet, um Kriegsverbrechen zu legitimieren. Erst am 1. Februar war Camp Mexmûr von der türkischen Luftwaffe bombardiert worden, zwei Mitglieder der Selbstverteidigungskräfte verloren ihr Leben. Aufgrund eines auf Druck der Regierung in Ankara durch die südkurdischen Behörden verhängten Embargos hat sich die Situation der Menschen in Mexmûr seit Juli 2019 nochmals deutlich verschlechtert. Aktuell sorgt zudem eine massive Militarisierung der Region durch die irakische Armee für Spannungen.