Vier Zivilisten in Xerabê Bava verschleppt

Vier Bewohner des kurdischen Dorfes Xerabê Bava in Nisêbîn sind festgenommen und an einen unbekannten Ort verschleppt worden. Das Dorf war vor zweieinhalb Jahren in die Schlagzeilen geraten, als dort fünf Menschen von türkischen Militärs getötet wurden.

Das Dorf Xerabê Bava (Koruköy) ist wieder im Visier der türkischen Armee. Mittwochnacht drangen Militärs in den Ort im nordkurdischen Kreis Nisêbîn (Nusaybin, Provinz Mêrdîn/Mardin) ein und durchsuchten bis in die frühen Morgenstunden zahlreiche Häuser. Begründet wurde der Überfall mit einer „anonymen Anzeige”.  Im Rahmen der Operation wurden die Bewohner Sabri Görgün, Abdulvahap Zengin, Ferhan Bayhan und Zahir Doğan festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht. Ihnen wird vorgeworfen, eine „Terrororganisation” zu unterstützen. Ihr Schicksal ist weiter ungewiss. 

In Xerabê Bava, das in den 1990er Jahren zwei Mal von der türkischen Armee niedergebrannt wurde, kommt es immer wieder zu vermeintlichen Antiterror-Operationen. In die internationalen Schlagzeilen geriet das Dorf zuletzt vor zweieinhalb Jahren. Am 1. Februar 2017 verhängte die türkische Regierung eine Ausgangssperre über neun Dörfer in Nisebîn. Am nächsten Tag wurden die Ausgangssperren für acht Dörfer aufgehoben, in dem Dorf Xerabê Bava hielt sie jedoch (offiziell ab dem 10. Februar 2017) bis März an.

Im Zuge der Militärbelagerung wurden zunächst die Telefon- und Internetleitungen gekappt. Anschließend wurden Dutzende Menschen öffentlich auf einem zentralen Platz des Dorfes gefoltert, bevor man sie abführte. Das Militär steckte Häuser in Brand und vernichtete ganze Tierheerden. Der Transport von Verwundeten ins Krankenhaus wurde nicht erlaubt. Fünf HPG-Kämpfer*innen wurden hingerichtet, Bilder ihrer zerstückelten Leichname wurden von Soldaten in den sozialen Medien veröffentlicht. Vielfach wurde diese Form der Angriffe des türkischen Staates als „Racheaktionen“ an der kurdischen Bevölkerung gewertet.

Hinrichtung, Folter und Zerstörung: Türkische Tradition in Xerabê Bava

Die Journalistin Nurcan Baysal reiste damals mit einer Delegation bestehend aus HDP, DBP und DTK nach Xerabê Bava. Später schrieb zu dieser Reise:

„Wir reisen zunächst in das Dorf Xerabê Bava. Der Haupteinfahrt ist gesperrt, daher fahren wir einen Umweg über andere umliegende Dörfer, um in das Dorf zu gelangen. Von außen betrachtet sieht die Zerstörung gering aus. Es gibt lediglich ein paar niedergebrannte Häuser. Doch als wir die äußerlich intakten Häuser von innen betrachten, wird das Ausmaß der Zerstörung deutlicher.

Wir halten vor dem Haus von Aykut Abdi, dem alten Mann, der nach massiver Foltereinwirkung noch festgenommen wurde. Sein Haus ist komplett verbrannt. Weil es sich um einen Bau aus Stein handelt, macht sich die Verbrennung im Inneren des Hauses bemerkbar. Die Innenausstattung ist komplett zu Asche verbrannt. Viele Einschusslöcher sind zu sehen. Die Ehefrau von Abdi Aykut begrüßt uns mit Tränen in den Augen. Sie sagt auf Kurdisch: ‚Was haben sie mit uns gemacht?‘ Wir durchlaufen die Wohnung, die Räume sind vollständig verbrannt. Kühlschrank, Herd, alles niedergebrannt. Die Küche ist voller Einschlaglöcher.

Eine Frau fängt an zu erzählen: ‚Sechs Hubschrauber kamen und bombardierten uns. Die Einheiten haben uns sehr erniedrigend behandelt. Viele von ihnen sprachen kurdisch. Wir haben des Öfteren Soldaten hier bei uns gesehen, aber diese Art von Folterungen haben wir zuvor nicht erlebt. Die haben alle Männer im Dorf auf dem Dorfplatz versammelt und gefoltert. Die töteten all unsere Tiere. Unsere Kühe erstickten an dem Feuer, die sie in unsere Häuser legten. Sie haben uns alle eingesperrt, quasi inhaftiert. Sie aber haben sich frei bewegt, kamen in die Häuser, um uns zu beschimpfen und zu beleidigen. Es war brutal.‘

Der Sohn von Abdi Aykut erzählt uns, dass er noch immer keine Nachricht von seinem Vater hat. Dem Vater wurden die Zähne eingeschlagen, ein Ohr haben sie ihm angerissen. All diese Folter wurde im medizinischen Bericht verheimlicht. Seine Schwester, die all das gesehen hat, würde seitdem nicht mehr sprechen, erzählt er uns.“

Zum Schluss ihres Artikels ließ Baysal eine Dorfbewohnerin berichten, wie die Soldaten mit den Leichnamen der fünf Personen umgingen, die sie zuvor in Xerabê Bava hingerichtet hatten:

„Sie haben die zerstückelten Leichen der fünf Getöteten auf den Dorfplatz gebracht. Diese haben sie mit einer Reinigungsbürste gewaschen. ‚Stellt dir vor‘, so die Dorfbewohnerin, ‚sie haben die Leichen mit einem Besen gewaschen.‘  Ist das nicht grausam, Menschen zu zerstückeln und ihren Leichen das anzutun?“