Tödliche Schüsse in Midyad: Haftbefehl gegen Polizisten

Gegen den türkischen Polizisten, der vor wenigen Tagen in Midyad den 21 Jahre alten Kurden Adem Kara erschossen hat, ist Haftbefehl ergangen.

Gegen einen türkischen Polizisten, der vor wenigen Tagen in Midyad einen 21-jährigen Kurden getötet hat, ist Haftbefehl ergangen. Die Generalstaatsanwaltschaft der Kreisstadt in der Provinz Mêrdîn (tr. Mardin) werfe dem Beamten fahrlässige Tötung vor und ordnete seine Unterbringung in einem örtlichen Gefängnis an, wie Medien einstimmig berichten. Tagelang waren Hinterbliebene ohne Auskunft über den Stand der Ermittlungen und den Verbleib des Todesschützen geblieben.

Mindestens dreimal soll der Polizist auf Adem Kara am vergangenen Donnerstag laut Zeugen gefeuert haben, weil er auf Zuruf nicht stehengeblieben sei. Eine Kugel aus kurzer Distanz in den Hals-Schulter-Bereich war tödlich. Als der junge Mann blutend zusammenbrach, entfernten sich alle an dem Vorfall beteiligten Beamten vom Tatort, ohne einen Rettungswagen zu verständigen. Es waren Umstehende, die den Vorfall beobachtet hatten und einen Krankenwagen riefen. Nach einer Odyssee durch verschiedene Krankenhäuser wurde in einer Klinik in der Provinzhauptstadt Mêrdîn der Tod von Adem Kara festgestellt.

Eine erste offizielle Erklärung dazu hatte das Gouverneursamt mehr als 48 Stunden nach der Tötung des Kurden abgegeben. Die Behörde behauptete, dass „Stolpern“ zu den Schüssen aus der Polizeiwaffe geführt habe. Der Polizist hätte zu Fuß die Verfolgung von Kara aufgenommen und sei auf dem gepflasterten Boden gestolpert. Dabei habe er unabsichtlich den Abzug seiner Waffe betätigt. Der Schuss hätte sich sodann im Zuge dieses Strauchelns gelöst.

Warum Adem Kara überhaupt festgenommen werden sollte, darüber herrscht noch immer Unklarheit. Laut dem Gouverneursamt sei die Polizei gezielt in das Industrieviertel von Midyad, dem Ort des Geschehens, ausgerückt, um „zwei vorbestrafte Verdächtige“ in Gewahrsam zu nehmen. Karas Angehörige widersprechen diesen Angaben. Der 21-Jährige sei zwar noch vor Kurzem aufgrund einer fünfjährigen Freiheitsstrafe im Gefängnis gewesen. Dieses habe er aber wegen der Coronavirus-Pandemie verlassen dürfen. Ein neuerlicher Haftantritt habe zumindest für die nächste Zeit nicht angestanden.

Dass der namentlich nicht genannte Polizist in Untersuchungshaft gekommen ist, steht nun im Widerspruch zu den Angaben des Gouverneurs. Ob durch Panzerwagen oder extralegale Tötungen – Opfern von türkischen Sicherheitskräften in den kurdischen Regionen des Landes wird so gut wie nie Gerechtigkeit zugute. Die Ermittlungen im Fall Adem Kara werden von der Gendarmerie (Militärpolizei) durchgeführt. Diese ließ in den vergangenen Tagen sämtliche Überwachungskameras am Tatort und in der Umgebung einsammeln. Ob die Tötung des Kurden zufällig aufgezeichnet wurde, ist nicht bekannt. Erwartungen, dass solche Aufnahmen – sofern sie existieren – gegen den Polizisten verwendet werden, sind eher gering.