Adem Kara: „Stolpern“ soll zu Schuss aus Polizeiwaffe geführt haben

Der türkische Polizist, der mit einem Schuss aus seiner Dienstwaffe am Donnerstag in der Kreisstadt Midyad den 21-jährigen Kurden Adem Kara tödlich verletzt hat, will gestolpert sein.

Der türkische Polizist, der mit einem Schuss aus seiner Dienstwaffe am Donnerstag in der Kreisstadt Midyad bei Mêrdîn einen 21-jährigen Kurden tödlich verletzt hat, will gestolpert sein. Das erklärte das Gouverneursamt für die Provinz am Samstagabend in einer Mitteilung – mehr als zwei Tage nach dem Vorfall. In einer Befragung – unklar durch wen – habe jener Beamte erklärt, den flüchtenden Adem Kara zum Stehenbleiben aufgefordert zu haben. Weil er nicht stoppte, sei zunächst ein Warnschuss in die Luft abgegeben worden. Als der junge Mann weiter davonlief, hätte der Polizist zu Fuß die Verfolgung aufgenommen. Dabei sei er auf dem gepflasterten Boden gestolpert und habe unabsichtlich den Abzug seiner Waffe betätigt. Der Schuss hätte sich sodann im Zuge dieses Strauchelns gelöst. Adem Kara war im Hals-Schulter-Bereich von dem Projektil getroffen worden. Gegen den Polizisten laufe ein Ermittlungsverfahren, ob er weiter im Dienst ist, sagte die Behörde nicht.

Warum Adem Kara überhaupt festgenommen werden sollte, darüber herrscht weiter Unklarheit. Laut dem Gouverneursamt sei die Polizei gezielt in das Industrieviertel von Midyad, dem Ort des Geschehens, ausgerückt, um „zwei vorbestrafte Verdächtige“ in Gewahrsam zu nehmen. Karas Angehörige widersprechen diesen Angaben. Der 21-Jährige sei zwar noch vor Kurzem aufgrund einer fünfjährigen Freiheitsstrafe im Gefängnis gewesen. Dieses habe er aber wegen der Coronavirus-Pandemie verlassen dürfen. Ein neuerlicher Haftantritt habe zumindest für die nächste Zeit nicht angestanden.

Adem Kara | Privatbild

„Darüber hinaus haben Zeugen gegenüber unserer Familie geäußert, dass Adem aus dem Nahabstand gezielt in eine tödliche Gegend geschossen wurde“, sagt Selman Kara, Bruder des Getöteten. Außerdem habe die Polizei den blutend zusammengebrochenen Mann liegengelassen und sich vom Tatort entfernt. Viel zu lange habe er ohne jegliche medizinische Versorgung auf dem Asphalt liegen müssen, bis ein von Zeugen verständigter Krankenwagen ihn unächst in ein Krankenhaus in Midyad und später in eine Klinik in Mêrdîn brachte. „Vielleicht war Adem bereits tot, als er noch auf dem Boden lag. Wir wissen auch nicht, ob er nur von einer oder mehreren Kugeln getroffen worden ist“, so Selman Kara. Den Angaben der Behörden sei jedenfalls nicht zu trauen. „Wir werden nicht ruhen, ehe wir die Tötung meines Bruders nicht restlos aufgeklärt haben.“