In der Provinz Colemêrg (tr. Hakkari) sind kurdische Zivilpersonen von türkischen Polizisten mit dem Tod bedroht worden. Der Vorfall ereignete sich nach Angaben der DEM-Abgeordneten Öznur Bartın am Montagvormittag in der Kreisstadt Şemzînan (Şemdinli). Ein Video, das der Parlamentarierin zugespielt wurde, zeigt eine Gruppe maskierter Beamter der sogenannten PÖH (Spezialeinheit der türkischen Polizei, die auf „Terrorbekämpfung“ spezialisiert ist), die ein Sammeltaxis unter dem Vorwand einer GBT-Kontrolle angehalten hat. GBT steht für „Genel Bilgi Toplama“ und ist eine 2002 von der türkischen Polizei eingeführte Überprüfungstechnologie für Identitätsdokumente. Die Polizisten sollen die Fahrgäste aufgefordert haben, den Kleinbus für eine körperliche Durchsuchung zu verlassen. „Im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle dürfen Polizeibeamte nicht ohne Weiteres den Fahrer oder die anderen Fahrzeuginsass:innen durchsuchen. Das gaben sie den PÖH-Leuten auch zu verstehen und weigerten sich, den Wagen zu verlassen“, erklärte Bartın. Daraufhin sei die Situation beinahe eskaliert.
Wie auch dem Video zu entnehmen ist, äußert ein Fahrgast seine Bedenken bezüglich der Verhältnismäßigkeit und der Grundlage dieser Kontrollmaßnahme. Die Reaktion der Polizisten ist irritierend. Sie fragen in aggressivem Ton, wer die Insass:innen eigentlich zu sein glaubten und dass sie aufpassen sollten, wie sie mit den Polizisten redeten. Während das Wortgefecht noch andauert, wird unvermittelt mehrmals in die Luft geschossen. Zu sehen ist dies nicht, aber zu hören. „Das waren keine einfachen Drohgebärden, schließlich wurde scharf geschossen“, so Bartın. „Die Polizisten drohten den Menschen damit, sie abzuknallen.“
Bei GBT handelt es sich um eine Datenbank mit Informationen zu gesuchten Personen sowie Straf- und Verdachtsmeldungen von Polizei und Gendarmerie, um Angaben zu bestehenden Haftbefehlen, bereits früher durchgeführten Verhaftungen, Ausreisesperren, Wehrdienstentzug oder -verweigerung sowie Steuerhinterziehung zu hinterlegen. Auch enthält das System subjektive Notizen der Polizei ohne rechtliche Bedeutung zu den betroffenen Personen. Im GBT-System werden auch Informationen über vermeintlich „verdächtige“ Personen aufgezeichnet, gegen die nicht strafrechtlich ermittelt wird.
Polizeiwillkür Alltag in Kurdistan
Intensive GBT-Kontrollen durch Polizei und Gendarmerie gehören zum Alltag auf den Straßen im stark militarisierten Norden Kurdistans und sind Teil der staatlichen Repression und Willkür, die dort herrschen. Öznur Bartın spricht von einem „Klima der Angst, Einschüchterung und Drohungen“, das von sogenannten Sicherheitskräften in den kurdischen Provinzen immer dann verschärft werde, wenn das in Ankara herrschende Regime der Erdoğan-Partei AKP seine politische Existenz gefährdet sieht. „Hier in Şemzînan und insbesondere im Dorf Şapatan, in dem die meisten Insass:innen leben, gehören solche Vorfälle allerdings zum Normalzustand“, betont die Politikerin. Die Menschen würden aber nicht müde, sich der „Tyrannei“ zu unterwerfen. „Die Bevölkerung von Şemzînan ist es gewohnt, Widerstand gegen die Unterdrücker zu leisten. Selbst die jüngsten unter ihnen lassen sich von solchen Maßnahmen nicht einschüchtern.“ Bartın kündigte juristische Schritte gegen die Polizisten an.