Rassistische Identitätskontrollen wegen „Şal û Şepik“ bei Jugendlichen

In Elkê sind fünf Minderjährige im Alter zwischen zwölf und siebzehn Jahren auf dem Weg zu einer Hochzeit von Spezialeinheiten der Polizei und Gendarmerie einer rassistischen Identitätskontrolle unterzogen und bedroht worden.

In der nordkurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) sind fünf Minderjährige Opfer einer rassistischen Identitätskontrolle geworden. Die Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und siebzehn Jahren waren am Samstag in der Kreisstadt Elkê (Beytüşşebap) unterwegs zu einer Hochzeit, als sie von Beamten der Spezialeinheiten der türkischen Polizei (PÖH) und der Gendarmerie (JÖH) bedrängt wurden. Die Polizisten sollen die Kinder zunächst beleidigt haben und anschließend gewaltsam angegangen sein, äußerten andere Gäste der Hochzeitsgesellschaft, die den Vorfall beobachteten, gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA).

Und das offenbar nur, weil die Kinder „Şal û Şepik“ trugen. Mit erhobenen Händen mussten sie sich an eine Wand stellen, wie auch auf einem Video zu sehen ist, das ein Zeuge machte. Darin zu erkennen: Während ein Beamter seine Waffe ständig auf die Jugendlichen richtete, führte ein zweiter Ausweiskontrollen und eine Abfrage im GBT-System durch. Nicht mit aufgezeichnet wurde die Szene, in der einige der Jugendlichen geschlagen worden sein sollen.

GBT steht für „Genel Bilgi Toplama“ und ist eine 2002 von der türkischen Polizei eingeführte Überprüfungstechnologie für Identitätsdokumente. Dabei handelt es sich um eine Datenbank mit Informationen zu gesuchten Personen sowie Straf- und Verdachtsmeldungen von Polizei und Gendarmerie, um Angaben zu bestehenden Haftbefehlen, bereits früher durchgeführten Verhaftungen, Ausreisesperren, Wehrdienstentzug oder -verweigerung sowie Steuerhinterziehung. Auch enthält das System subjektive Notizen der Polizei ohne rechtliche Bedeutung zu den betroffenen Personen. Im GBT-System werden auch Informationen über vermeintlich „verdächtige“ Personen aufgezeichnet, gegen die nicht strafrechtlich ermittelt wird.

Weil der Jüngste aus der Gruppe als einziger seinen Ausweis nicht dabei hatte – für Zwölfjährige besteht ohnehin keine Ausweispflicht – habe ein PÖH-Beamter ihm gedroht, ihn „bei der nächsten Kontrolle zu bestrafen“. Auf welche Weise er dies tun wolle, darauf sei der Polizist nicht näher eingegangen. Ohne weitere Maßnahmen seien die Minderjährige schließlich aus der Personenkontrolle entlassen worden und zu ihren wartenden Eltern zurückgekehrt.  

Die Kleidungskombination Şal û Şepik, die aus Pluderhose, Hemd, einer Weste und einem Tuchgürtel besteht, ist eine jahrhundertealte Tradition in Kurdistan. Im Norden ist sie heute jedoch fast nur noch bei festlichen Anlässen und Feiern zu sehen. 1945 wurde diese Kleidung sogar vom türkischen Staat verboten, weil auch die kurdischen Widerständigen und Partisanen Şal û Şepik trugen. Dies dürfte mitunter der Grund für die GBT-Kontrolle in Elkê gewesen sein. Auch die Uniformen der PKK-Guerilla ähnelt Şal û Şepik.