Tödliche Explosion in Kanî Masî: HPG weisen Verantwortung zurück

Bei einer Landminenexplosion in der Kurdistan-Region Irak ist am Donnerstag ein dänischer Radtourist ums Leben gekommen. Umgehend verwiesen die Behörden auf die PKK-Guerilla als Verantwortliche. Diese weist jede Verantwortung zurück.

Bei der Explosion in der Kurdistan-Region Irak (KRI) ist am Donnerstag ein dänischer Radtourist ums Leben gekommen, ein weiterer wurde verletzt. Der Vorfall ereignete sich offiziellen Angaben nach auf einer „unbefestigten Straße“ zwischen zwei Dörfern im Subdistrikt Kanî Masî nördlich von Amêdî, die Detonation sei bei der Überfahrt einer „Landmine“ ausgelöst worden. Sicherheitsbehörden der PDK-dominierten Führung in Hewlêr und regierungsnahe Medien verwiesen umgehend auf die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Verantwortliche. In der Gegend komme es seit „Jahrzehnten zu Zusammenstößen“ zwischen dem türkischen Staat und der PKK-Guerilla. Diese weist nun jede Verantwortung für die Explosion zurück.

„Beim Explosionsort handelt es sich nicht um ein Gebiet, in dem unsere Kräfte aktiv sind oder sich bewegen. Darüber hinaus verwendet die Guerilla keine Landminen“, teilte die Pressestelle der Volksverteidigungskräfte (HPG) am Samstag in Behdînan mit. „Wir weisen jegliche Verantwortung von uns und fordern die Einleitung eines umfangreichen Untersuchungsverfahrens im Zusammenhang mit diesem Vorfall“, hieß es weiter.

Radtour ins Kampfgebiet?

Bei dem Toten handelt es sich um einen 28-Jährigen, das dänische Außenministerium hat seinen Tod bestätigt. Er soll erst wenige Stunden vor der Explosion mit einem etwa gleichaltrigen Begleiter über den Grenzübergang Sarzerî (türkischer Name: Üzümlü) von Colemêrg (tr. Hakkari) aus in die KRI eingereist sein. Der zweite Radtourist sei teils schwer verletzt worden und befinde sich in einem Krankenhaus in Kanî Masî (Stand 6. Mai). Zum Reiseziel der beiden Dänen wurde die archäologische Stätte in Amêdî (auch Amediye) genannt, die verwaltungstechnisch zum Gouvernement Dihok gehört. Die Explosion ereignete sich Behördenangaben zufolge zwischen den Dörfern Kamberke und Barukhi. Angaben darüber, warum die beiden Radtouristen sich in einem Gebiet aufhielten, in dem es zu vermeintlichen Kampfhandlungen zwischen der PKK und der türkischen Armee kommen soll, machten die Behörden in Hewlêr nicht.

Minenfeld Irak

Radtouren sind in der Gegend aufgrund von unbefestigten Straßen und fehlerhafter Infrastruktur ohnehin eher selten. Das hat besonders mit zwei Herausforderungen zu tun: Zum einen bombardiert die Türkei schon seit Jahren die Dörfer in den Bergregionen Südkurdistans. Diese Bombardierungen haben sich insbesondere in den letzten Jahren intensiviert. Seit der türkischen Invasion vom April 2021 und dem neuerlichen Angriffskrieg vor drei Wochen gibt es täglich Meldungen über neue Attacken. Zum anderen ruhen Millionen von Landminen in dieser Region des Nahen Ostens. Laut der Organisation Demira zählt der Irak zu den Ländern mit der höchsten Belastung durch Minen und Blindgänger weltweit. Etwa 20 Millionen Landminen und zwischen 2,6 und sechs Millionen Blindgänger liegen weiterhin im Land. Diese sind eine direkte Folge des Krieges mit dem Iran (1980-1988), dem Golfkrieg von 1991 und der US-geführten Invasion 2003.

PKK und HPG Unterzeichner des „Genfer Appells“

Dass die PKK-Guerilla in ihrem Bestand keine Landminen mehr hat, ist auch den Berichten der Schweizer Nichtregierungsorganisation Geneva Call zu entnehmen. 2006 hat die kurdische Arbeiterpartei als bewaffnete nichtstaatliche Akteurin den „Genfer Appell“ unterzeichnet, der den Einsatz von Antipersonenminen verbietet, so wie es die Ottawa-Konvention für Staaten vorsieht. Nach Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung unterstützte die PKK damals die Vernichtung von 770 Antipersonenminen und mehr als 2.500 anderen Sprengsätzen. Den „Genfer Appell“ initiiert hatte Geneva Call, die sich dafür einsetzt, dass internationale humanitäre Normen bei bewaffneten Konflikten und anderen Situationen von Gewalt, insbesondere diejenigen zum Schutz der Zivilbevölkerung, von den bewaffneten nichtstaatlichen Akteuren respektiert werden. Mit der PKK und den HPG führt Geneva Call seit 2001 einen Dialog zum Verbot von Personenminen. Seit 2008 finden zudem Dialoge zum Kinderschutz, zu Geschlechterfragen und der Einhaltung humanitärer Normen im Allgemeinen statt. Die NGO überwacht auch die Einhaltung der durch die PKK/HPG unterzeichneten Verpflichtungserklärungen. Dies war anfangs zwar schwierig, da die Türkei konsequent gegen die Zusammenarbeit mit Geneva Call ist und der NGO den Zugang zur PKK über ihr Staatsgebiet verweigert. Doch die Organisation konnte ein spezielles Überwachungsverfahren einrichten, um die Zugangsbeschränkung zu umgehen.