In der nordkurdischen Provinzhauptstadt Sêrt (türk. Siirt) ist am 15. Mai ein Verwaltungsbeamter der Regierung zum Treuhänder ernannt worden. Die gewählten Ko-Bürgermeister*innen Berivan Helen Işık und Peymandara Turhan der Demokratischen Partei der Völker (HDP) wurden vom türkischen Innenministerium suspendiert und nach vier Tagen in Polizeigewahrsam unter Hausarrest gestellt.
Als erste Amtshandlung entließ der Zwangsverwalter zehn städtische Mitarbeiter – trotz eines temporären Kündigungsschutzes, der im April im Rahmen der Pandemiegesetze verabschiedet wurde. Begründet wurden die Entlassungen nicht, lediglich wurde den Betroffenen mitgeteilt, dass es eine Entscheidung des Disziplinarausschusses sei. Allerdings nicht durch die Stadt, sondern durch eine von der Krankenversicherung verschickte SMS.
Die städtischen Mitarbeiter haben indes angekündigt, rechtlich gegen ihre Entlassung vorzugehen. Die Chancen stehen gut, dass sie Erfolg bei den Klagen gegen ihre Kündigung haben. Ob sie danach wieder angestellt werden, ist allerdings fraglich. Durch die Ernennung von Zwangsverwaltern wurden bereits Hunderte von Mitarbeiter*innen der ehemals HDP-geführten Stadtverwaltungen und ihre Familien in Hunger und Not gestürzt. Sie werden systematisch entlassen und durch AKP-Anhänger ersetzt. In Wan (Van) gewannen erst kürzlich 250 Beschäftigte der Stadtverwaltung eine Klage gegen ihre Entlassungen durch den Zwangsverwalter. Auf direkte Anordnung des Innenministers Süleyman Soylu wurden sie dennoch nicht wieder angestellt. Dieses Vorgehen stellt ein erneutes Beispiel der Bedeutungslosigkeit der Judikative in der Türkei dar, während die Exekutive mit immer neuen Vollmachten ausgestattet wird und nach Gutdünken agiert.