Rückkehr nach Şengal hält an

Trotz der türkischen Angriffe auf die Şengal-Region in Südkurdistan setzt sich die Rückkehr der vom IS vertriebenen ezidischen Bevölkerung fort. Dexîl Ibrahim von der Selbstverwaltung betont, dass die Ezid:innen zum Wiederaufbau entschlossen sind.

Mit dem fluchtartigen Rückzug der PDK-Peschmerga aus der Şengal-Region begann am 3. August 2014 der Genozid des sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) an der dortigen Bevölkerung. Unzählige wurden ermordet, zahlreiche Frauen und Kinder gerieten in Sklaverei und werden teilweise immer noch vermisst. Hunderttausende flohen über von HPG / YJA Star und YPG/YPJ freigekämpfte Fluchtkorridore nach Rojava. Viele befinden sich auch in Lagern, die von der PDK (Demokratischen Partei Kurdistans) in Südkurdistan kontrolliert werden. Obwohl seit dem Genozid bereits neun Jahre vergangen sind und Şengal längst befreit wurde, verhindert die PDK die Rückkehr.

Stattdessen versucht die von der Türkei abhängige PDK trotz ihres Verrats im Jahr 2014 erneut, die Kontrolle über die ezidische Region zu erlangen. Zu diesem Zweck wurde das sogenannte Hewlêr-Bagdad-Abkommen von den USA und der Türkei orchestriert, das die Rückkehr der PDK nach Şengal und die Zerschlagung der Selbstverwaltung beinhaltet. Seit diesem Abkommen im Oktober 2020 haben die türkischen Drohnenangriffe auf die Şengal-Region zugenommen. Mitglieder der Selbstverwaltung, der Sicherheitskräfte und der Verteidigungskräfte, Krankenhausmitarbeiter:innen und viele weitere Zivilist:innen wurden von Killerdrohnen getötet.

Mindestens 450.000 Menschen haben Şengal verlassen

Trotz der Bemühungen der PDK, die Rückkehr zu verhindern, sind viele Menschen in die selbstverwaltete Şengal-Region zurückgekehrt. Dexîl Ibrahim, ein Mitglied der Selbstverwaltung von Şengal, verbrachte selbst sechs Jahre in Lagern auf der Flucht. Er betont, dass die ezidische Bevölkerung die Kraft und den Willen zum Wiederaufbau von Şengal hat, und ruft zur Rückkehr auf. Er erinnert daran, dass mindestens 450.000 Ezid:innen die Şengal-Region aufgrund des IS-Genozids verlassen haben, und fordert die irakische Regierung auf, ihre Rückkehr zu gewährleisten. Viele dieser Menschen sind bereits zurückgekehrt. Ibrahim sagt: „Der Staat muss gemäß seiner Gesetze handeln und seine Bürgerinnen und Bürger vor Angriffen schützen. Wir sind jedoch einer diskriminierenden Politik der irakischen und südkurdischen Regionalregierung ausgesetzt. Die irakische Regierung sollte die Rückkehr der Eziden nach Şengal gewährleisten. Dies ist eine ihrer Hauptaufgaben. Viele Menschen möchten zurückkehren, können es aber nicht, weil sie es sich finanziell nicht leisten können und von der Regierung keine Unterstützung erhalten. Die Eziden, die in Dohuk oder anderen Städten leben, können ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Wenn die Regierung diesen Familien helfen würde, könnten sie problemlos in ihre Heimat zurückkehren und ihren Lebensunterhalt dort verdienen."

Lager der PDK gleichen Gefängnissen“

Ibrahim erinnert sich an seine sechs Jahre in einem Lager der PDK und berichtet: „Das Leben im Lager war sehr schwierig. Man musste in Zelten leben. Es gab viele alte Menschen, häufig kam es zu Krankheiten. Im Sommer war es sehr heiß und im Winter sehr kalt. Es gab keine Hilfe, keine Ansprechpartner. Man kann in den Lagern der PDK nicht leben, es sei denn, man hat keine andere Wahl. Die Eziden werden diskriminiert. Nach sechs Jahren verließ ich das Lager und kehrte nach Şengal zurück. Jetzt bin ich in meinem Land und meiner Heimat und habe Ruhe gefunden.“

Rückkehr ist ein Akt des Widerstands“

Ibrahim fährt fort: „Diese Gesellschaft wird sich nicht länger ihren Feinden beugen. Das ist die Bedeutung der Rückkehr nach Şengal. Die Menschen kehren trotz der Angriffe und Probleme zurück. Unter den Eziden hat sich ein starker Wille herausgebildet, und niemand hat die Kraft, diesen Willen zu brechen. Es ist eine neue Ideologie entstanden, und die Ezidinnen und Eziden haben sich um diese Ideologie versammelt. Es gibt viele Rückkehrer aus den Dörfern Tilexer, Tilqesab, Tilbinav und Girzerik. Im Dorf Girzerik steht kein einziges Haus mehr, aber die zurückkehrenden Familien haben Zelte im Dorf aufgestellt und leben darin. Wir werden unsere eigenen Dörfer selbst wieder aufbauen, denn wir haben die Kraft zum Wiederaufbau.“

15.000 Menschen sind zurückgekehrt

Ibrahim spricht von 15.000 Rückkehrer:innen und sagt: „Unser ganzes Volk sollte in sein Land zurückkehren. Sie sollen ihre Felder bestellen und ihre Häuser auf ihrem Boden wiederaufbauen. Jede Familie, die ihre Zelte verlässt und hierherkommt, sollte dies als einen Akt betrachten, der dem Ausschalten eines IS-Mitglieds ähnelt. Das sollte die Einstellung zur Rückkehr sein. Jede Rückkehr ist ein Akt des Widerstands. Als Selbstverwaltung helfen wir diesen Familien nach Kräften und erfüllen ihre Grundbedürfnisse. Wir stehen diesen Familien unter allen Umständen zur Seite. Die Bedrohung unserer Gemeinschaft hält weiter an. Heutzutage können Eziden in Dohuk und Hewlêr keine Arbeit finden. Sie können in diesen nicht Städten leben. Diejenigen, die ihr Land und ihre Heimat verlassen, sind für niemanden von Nutzen. Deshalb rufen wir die Familien, die noch nicht nach Şengal zurückgekehrt sind, dazu auf, entschlossen zu sein und nach Hause zu kommen.“