Widerstand gegen Zwangsverwaltung
Ein breites Bündnis politischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen in der Türkei mobilisiert für kommenden Donnerstag zu einer Großkundgebung in der kurdischen Provinz Colemêrg (tr. Hakkari). Damit folgen die verschiedenen Gruppen einem Aufruf der DEM-Partei, unter dem Motto „Die Rathäuser gehören dem Volk, wir lassen sie nicht usurpieren“ ein starkes Zeichen gegen die Zwangsverwaltung zu setzen. Hintergrund ist die Übernahme des Rathauses von Colemêrg durch einen vom türkischen Innenministerium ernannten Treuhänder. Der rechtmäßige Bürgermeister Mehmet Sıddık Akış, der bei der Kommunalwahl im März trotz massiver Betrugsversuche und des Einsatzes tausender Soldaten als „Geisterwähler“ mit fast 49 Prozent der Stimmen gewählt worden war, wurde wegen Terrorverdachts des Amtes enthoben und wegen selbiger Vorwürfe zu knapp 20 Jahren Haft verurteilt.
„Der Vorgang in Colemêrg legt nur zu deutlich die Realität offen, dass Werte wie Freiheit und Demokratie, Menschenrechte, Recht, Gerechtigkeit und das Prinzip der Selbstverwaltung für die kurdische Bevölkerung dieses Landes nicht gelten. Die Absetzung von Mehmet Sıddık Akış, seine Inhaftierung nach einem konstruierten Gerichtsverfahren sowie die Einsetzung eines Gouverneurs anstelle seiner Person stehen als exemplarisches Beispiel dafür, dass die kurdischen Provinzen mit Kolonialrecht verwaltet werden”, erklärte DEM-Sprecherin Ayşegül Doğan bei der Vorstellung eines Aktionsplans ihrer Partei am Sonntag in Ankara. Um der Regierung zu sagen, dass man nicht kapitulieren werde und bereit sei, den Widerstand gegen das „Treuhänderregime“ fortzusetzen, beschlossen die DEM und alle anderen Parteien vom Bündnis für Arbeit und Freiheit, der Demokratische Gesellschaftskongress (KCD), die kurdische Frauenbewegung TJA sowie verschiedene NGOs eine große Kundgebung. Colemêrg erwarte eine landesweite Anreise, kündigte Doğan an.
Volkstreffen im Dorf Şapatan (c) MA
Im Vorfeld der Protestveranstaltung startete am Montag ein mehrtägiger „Marsch für Demokratie“ durch Colemêrg. Die erste Etappe der Demonstration, die in die Kundgebung am Donnerstag münden soll, begann im Kreis Şemzînan (Şemdinli). „Kein Platz für Zwangsverwalter“ stand auf Westen, die die Beteiligten während des Protestzuges trugen, darunter kurdische Friedensmütter und Parlamentsabgeordnete wie Saruhan Oluç, Serhat Eren und Öznur Bartın. In mehreren Dörfern entlang der Route wurden kurze Zwischenstopps eingelegt und Volkstreffen abgehalten, auf denen über den Aktionsplan gegen die Zwangsverwaltung gesprochen wurde. Die nächsten Etappenziele sind die Landkreise Gever (Yüksekova) und Çelê (Çukurca).