In einem staatlichen Krankenhaus in der nordkurdischen Provinz Mêrdîn (tr. Mardin) liegen seit Tagen die Leichen von drei mutmaßlichen Guerillakämpfern, die im Zuge einer weiter andauernden Militäroperation in der Region ums Leben gekommen sein sollen. Zur Feststellung ihrer Identität wurden mögliche Angehörige am Sonnabend von den türkischen Behörden in das Lehr- und Forschungskrankenhaus von Mardin zitiert. Doch diese gaben nun an, dass die Leichen so schwer deformiert wären, dass eine Identifizierung durch einen einfachen Anblick nicht möglich gewesen sei.
Bei den Toten soll es sich laut türkischen Regierungsangaben um zwei türkische und einen syrischen Staatsbürger handeln. Die Operation, bei der die Kämpfer getötet worden sein sollen, fand am Bagok-Massiv bei Nisêbîn im Süden von Mêrdîn statt – unklar ist allerdings, wann genau. Seit dem 27. Dezember gelten neun Gebirgsregionen im Kreis vor dem Hintergrund von luftunterstützten Militäroperationen als temporäre Sondersicherheitszonen. Die Anordnung enthält auch ein vorübergehendes Zutrittsverbot zu den gesperrten Gebieten, Ortsansässige sprechen von Kriegszuständen.
„Die Leichen sind bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Sie sind teilweise verkohlt, außerdem fehlen ihnen Gliedmaßen“, zitierte die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) am Sonntag einen möglichen Angehörigen der getöteten Guerillakämpfer. Der Zustand der Leichname wecke den Verdacht, dass die türkische Armee verbotene Chemiewaffen gegen sie eingesetzt haben könnte. Wäre das wahr, hätte die Türkei zwar gegen die von ihr ratifizierte UN-Chemiewaffenkonvention verstoßen, die den Einsatz solcher Waffen verbietet. Dafür belangt werden würde die Führung in Ankara aber eher nicht. Schon seit Jahren wirft die kurdische Guerilla der Türkei vor, international geächtete Chemiewaffen einzusetzen. Doch wie auch der Krieg in Kurdistan selbst werden diese Vorwürfe von der westlichen Gemeinschaft weitestgehend ignoriert. Ankara scheint dauerhaft grünes Licht für Kriegsverbrechen an Kurdinnen und Kurden zu haben.
Darüber hinaus sehe es danach aus, dass die in Mêrdîn aufbewahrten Leichen von Soldaten geschändet wurden, berichtete MA. Videos, die aktuell in sozialen Medien kursieren und türkische Militärs dabei zeigen, wie sie die Körper getöteter Kämpferinnen und Kämpfer der Guerilla foltern und verstümmeln und anschließend – wie bei den Barbaren – mit der menschlichen „Trophäe“ in der Hand posieren, befeuern den Verdacht zusätzlich. Aufschluss über die Identität der Toten von Nisêbîn werde jedenfalls nur eine DNA-Analyse bringen. Die Blutproben seien von den Angehörigen bereits abgegeben worden, hieß es.
Wann mit den Ergebnissen zu rechnen ist, ist allerdings alles andere als eindeutig. Zwar dauern solche DNA-Analysen in der Regel nur drei bis vier Tage. Die Erfahrung zeigt aber, dass Familienmitglieder von gefallenen Kämpferinnen und Kämpfern der kurdischen Guerilla oftmals bis zu ein Jahr oder teilweise noch länger auf die Ergebnisse von DNA-Tests warten müssen – eine altbewährte Taktik des Zermürbungskrieges des türkischen Staates gegen die kurdische Gesellschaft. Die Volksverteidigungskräfte (HPG), zu denen die in Nisêbîn getöteten Kämpfer offenbar gehörten, haben sich zu den Geschehnissen noch nicht geäußert.