Ist Mücahit Yılmaz extralegal von türkischen Sicherheitskräften hingerichtet worden? Nach Augenzeugenberichten spricht alles dafür, dass der Kurde mit voller Absicht von Polizisten erschossen wurde. Zunächst zum Hintergrund:
Offiziellen Angaben nach drangen in der Nacht von Samstag auf Sonntag türkische Sondereinsatzkommandos in der nordkurdischen Provinzhauptstadt Amed (Diyarbakir) im Stadtteil Baglar in die Wohnung der Eheleute Ahmet und Birsen Yoldaş ein. Wenige Stunden später lancierte das türkische Innenministerium, dass im Zuge einer Operation „die Person Mücahit Yılmaz, ein Mitglied der separatistischen Terrororganisation aus dem ländlichen Umland, neutralisiert wurde“. Bei der Durchsuchung der Person seien ein gefälschter Personalausweis, eine Waffe, Munition und „zahlreiche Dokumente der Organisation“ sichergestellt worden. Bei der „Neutralisierung“ des Getöteten soll außerdem ein Polizist verletzt worden sein. Nähere Angaben macht das Innenministerium nicht.
Zeugen: Keine Spuren von Schießerei
Bilder der vermeintlichen Operation deuten jedoch auf ein Vorgehen hin, das einer Exekution ähnelt: Auf dem Balkon der Wohnung, in der Yılmaz getötet wurde, ist eine Blutlache zu sehen. Die Wohnung liegt in der dritten Etage eines mehrstöckigen Wohnhauses auf der Karacadağ Caddesi. Die Eingangstüre wurde nicht aufgebrochen, im Inneren der Wohnung deutet ebenfalls nichts auf eine Schießerei infolge einer Razzia hin. Das berichten Anwohner, die der Identifizierung des Toten beiwohnten und angaben, eine Schusswaffe nicht gesehen zu haben. Zwar seien zwei Einschussstellen in einem Küchenschrank festgestellt worden, vermutet werde allerdings der Beschuss des Balkons, der sich an der Wohnungsküche befindet, von einem gegenüberliegenden Gebäude oder von der Straße. Möglich sei auch, dass das spätere Opfer auf den Balkon geschleift und dort erschossen wurde. Spuren, dass Yılmaz in eine Schießerei verwickelt war und einen Beschuss erwidert habe, seien weder in der Wohnung noch auf dem Balkon bemerkt worden.
Angehörigen wird Identifizierung verweigert
Der Leichnam von Mücahit Yılmaz wird im Bildungs- und Forschungskrankenhaus von Diyarbakir aufbewahrt. Dort warteten seine Angehörigen vergeblich auf eine Identifizierung und haben sich zwischenzeitlich an die Generalstaatsanwaltschaft gewandt, um die Aushändigung der Leiche einzufordern.
Zeuge in Polizeigewahrsam gefoltert
Ahmet und Birsen Yoldaş, die Eigentümer der Wohnung, könnten Zeugen einer extralegalen Hinrichtung gewesen sein. Beide befinden sich seit Samstagnacht in Polizeigewahrsam. Wie die Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı heute meldete, soll Ahmet Yoldaş infolge schwerer Foltereinwirkung im Militärkrankenhaus von Diyarbakir behandelt werden. Seine Ehefrau Birsen Yoldaş wird weiterhin in der Antiterrorzentrale der Bezirkspolizeidirektion festgehalten. Was beiden konkret zum Vorwurf gemacht wird, ist nicht bekannt.