Chemiewaffen auf Kurdistan: Akbulut fordert deutschen Einsatz für Untersuchung

Die linke Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut hat Deutschland aufgefordert, sich für eine Untersuchung der Vorwürfe über den Einsatz von Chemiewaffen der Türkei in der Kurdistan-Region Irak einzusetzen.

Die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (DIE LINKE) hat Deutschland aufgefordert, sich für eine Untersuchung der Vorwürfe über den Einsatz von Chemiewaffen der Türkei in der Kurdistan-Region Irak (KRI) einzusetzen. In einem der ANF-Redaktion vorliegenden Brief an den ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), Thomas Schieb, weist Akbulut auf Medienberichte und Videoaufnahmen hin, die einen Einsatz von Chemiewaffen durch türkische Truppen beim Krieg gegen kurdische Guerillaeinheiten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahelegen.

Die von ANF veröffentlichten Bilder zeigen die Wirkung von mutmaßlichem Giftgas auf den Körper zweier Kämpfer:innen, die an den Folgen des Angriffs ums Leben gekommen sind. Akbulut nimmt in dem Schreiben auch Bezug auf einen kürzlich veröffentlichten Bericht der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW, in dem es heißt, es gebe „indirekte Beweise für mögliche Verstöße“ gegen die Chemiewaffenkonvention. „Material, das in der Nähe eines von der türkischen Armee verlassenen Gebiets gefunden wurde, umfasste Behälter für Salzsäure und Bleichmittel, die zur Herstellung von Chlor, einem klassischen chemischen Kampfstoff, verwendet werden könnten“, erklärte die IPPNW und forderte eine umgehende Untersuchung.

Akbulut meint: „Aufgrund der zahlreichen Indizien, die für den Einsatz von Chemiewaffen sprechen, ist auch nach meiner Einschätzung eine unabhängige Untersuchung durch die OPCW dringend geboten.“ Da die Türkei wie auch die Bundesrepublik Deutschland Vertragsstaaten des am 29. April 1997 in Kraft getretenen Abkommens über das Verbot Chemischer Waffen (CWÜ) sind und somit den Überwachungsmechanismen der OPCW unterliegen, solle Schieb „mit Nachdruck“ auf eine solche Untersuchung hinwirken beziehungsweise einen entsprechenden Antrag stellen, schreibt die linke Bundestagsabgeordnete in ihrem Brief. Die Antwort des deutschen Vertreters bei der Organisation steht noch aus.

Was ist die OPCW?

Die OPCW wurde aus einem einzigen Grund geschaffen: Sie soll die Einhaltung der Chemiewaffenkonvention (CWÜ) der Vereinten Nationen von 1992 überwachen. Dieser völkerrechtliche Vertrag trat 1997 in Kraft und verpflichtet alle Mitgliedsstaaten, ihre Bestände an chemischen Kampfstoffen zu zerstören. Die OPCW hat sowohl das Ziel, alle existierenden chemischen Waffen zu vernichten, als auch, das Entstehen neuer C-Waffen zu verhindern. Länder können sich zudem von der Organisation beraten lassen, wie sie sich gegen derartige Bedrohungen schützen können. Mittlerweile gehören 193 Staaten der OPCW an. Nur Ägypten, Israel, Nordkorea und der Südsudan fehlen noch.

Seit ihrer Gründung war die OPCW darauf beschränkt zu bestimmen, ob chemische Substanzen als Waffe eingesetzt wurden. Erst 2018 haben die Mitgliedsstaaten beschlossen, dass die Chemiewaffenbehörde nicht nur feststellen soll, ob illegale Substanzen bei Angriffen eingesetzt wurden, sondern auch, wer dafür verantwortlich ist.

OPCW schweigt zu Vorwürfen

Berichte über türkische Chemiewaffenangriffe in Kurdistan, darunter auch 2018 und 2019 in Rojava, gibt es bereits seit Jahren. Ungeachtet internationaler Verbote setzt die Türkei diese geächteten Kriegsmittel sowohl gegen die Guerilla als auch gegen die Zivilbevölkerung in großen Mengen weiter ein, wie auch die Volksverteidigungskräfte (HPG) seit Monaten immer wieder betonen. Auf Appelle und Aufforderungen der kurdischen Gesellschaft und ihrer Organisationen, diesen Vorwürfen nachzugehen, reagierte die OPCW bislang mit Ablehnung. Im Mai hatte die Institution sogar die Entgegennahme von Beweisen für den Einsatz von türkischem Giftgas in Südkurdistan, die von einer britischen Delegation gesammelt worden waren, verweigert. Auf Vorwürfe der Voreingenommenheit, mit denen die OPCW von der kurdischen Gesellschaft wiederholt konfrontiert wurde, reagierte die Organisation ebenfalls nicht.