Die Sicherheitslage für von der Türkei verfolgte Oppositionelle in der Kurdistan-Region Irak (KRI) bleibt angespannt. „Die Bedrohungslage ist besorgniserregend“, sagte die HEDEP-Abgeordnete Beritan Güneş bei einem Besuch der Vertretung ihrer Schwesterpartei HDP in Hewlêr (Erbil). Die größte Gefahr gehe der Politikerin zufolge vom türkischen Geheimdienst aus, der in der KRI ein ganzes Netzwerk an Agenten und Informanten betreibt. „Doch die Behörden der Region begegnen dieser Bedrohungslage mit Ignoranz“, so Güneş.
Die seit dieser Legislaturperiode für den Wahlkreis Mêrdîn (tr. Mardin) im türkischen Parlament sitzende Abgeordnete Beritan Güneş, die von Beruf Psychologin ist, sagte in Hewlêr gegenüber Medienschaffenden, dass der Sitz der HDP-Vertretung seit Tagen unter Beobachtung stehe – allerdings nicht von Sicherheitskräften, sondern von mutmaßlichen MIT-Agenten. Am 29. Oktober, dem 100. Jahrestag der Gründung der Republik Türkei, hätten diese Personen versucht, einen Anschlag auf das Gebäude zu verüben. Laut Güneş sei ein Anschlag nur durch den beherzten Einsatz von örtlichen Mitgliedern der HDP verhindert worden. Sie hätten die Unbekannten vertrieben.
Dass die Sicherheitsbehörden der KRI trotz dieser offensichtlichen Bedrohungslage untätig blieben, könne nicht nachvollzogen werden, betonte Güneş. Gerade im Hinblick auf mehrere tödliche Attentate gegen Geflüchtete aus der Türkei beziehungsweise Nordkurdistan – hauptsächlich Aktive der HDP-Strukturen – in den vergangenen zwei Jahren und diverse Anschlagsversuche, sei die Untätigkeit der Politik und der Behörden mehr als unverständlich. „Die HDP arbeitet auf einer demokratischen Grundlage und setzt sich für die legitimen Rechte der Kurdinnen und Kurden ein. Allein deswegen werden ihre Mitglieder von der türkischen Justiz verfolgt. Dass Menschen, die sich dieser Repression durch die Flucht nach Südkurdistan entziehen konnten, auch hier Verfolgung ausgesetzt sind, ist inakzeptabel. Sie müssen geschützt werden.“
Mindestens sieben politische MIT-Morde seit 2021
Güneş forderte die KRI auf, endlich Schutzmaßnahmen für die Bedrohten zu ergreifen und die Fälle von Anschlägen auf Oppositionelle aus Nordkurdistan sowie Menschen, die der kurdischen Befreiungsbewegung nahestehen, umfassend zu untersuchen. Schließlich wurden seit September 2021 bereits sieben Menschen bei gezielten MIT-Attentaten ermordet: Deniz Cevdet Bülbün, Delegierter des Nationalkongress Kurdistan (KNK) und Sprachlehrer für Kurdisch; Hüseyin Arasan, aus der Türkei geflüchteter Aktivist und Mitglied des Vereins der Werktätigen aus Mesopotamien (KKM), der von politischen Verfolgten aus Nordkurdistan gegründet wurde; Hüseyin Türeli, ebenfalls aus Nordkurdistan geflüchteter Aktivist; Nagihan Akarsel, Akademikerin, Herausgeberin der Zeitschrift Jineolojî und Mitglied der Jineolojî-Akademie; Suheyl Xurşîd Ezîz, Autor und Historiker sowie Mitglied der Generalversammlung der südkurdischen Bewegung Tevgera Azadî; Zeki Çelebi, politischer Flüchtling und Mitglied im KKM; sowie Yasin Bulut (Şükrü Serhed) vom Komitee der Familien von PKK-Gefallenen. In allen Fällen gilt eine türkische Urheberschaft als mehr als wahrscheinlich. Die Verantwortlichen wurden nicht ermittelt.