Diejenigen, die die aktuellen Entwicklungen in der Türkei und Nordkurdistan beobachten, die Teil von ihnen sind oder selbst von ihnen betroffen, wissen genau, dass der türkische Staat sich selbst innen- wie außenpolitisch in Prinzipienlosigkeit übertrifft. Das zeigt sich in den schmutzigen Kriegspraktiken, dem zügellosen Profitstreben und der tiefgreifenden Korruption. Das Räderwerk des Systems wird von Lüge und Besatzung angetrieben. Der Zugang zur Wahrheit ist verboten. Es gibt keine Gerechtigkeit. Zu diesen Maßnahmen gehören nicht nur die Löschung von Links, die Sperrung von Websites, die Sperrung von Benutzerkonten und die Zensur der Medien, sondern auch die Usurpation und Okkupation der Gesellschaft bis in die kleinste Zelle hinein. Darüber hinaus sind die Trolle, deren Aufgabe es ist, die Wahrheit zu verzerren, das neue Gesicht der Manipulation. Dort, wo man nicht mehr weiß, wo man die Wahrheit suchen soll, herrscht eine Dystopie. Diejenigen, die von den geschaffenen Illusionen verblendet sind, werden sich an dieses faschistische Regime klammern wie an eine Fata Morgana in der Wüste. Die Wahrheit hingegen hat ein ganz bestimmtes Prinzip: Sie erscheint, wenn die Zeit gekommen ist, in ihrer ganzen Größe.
In Ankara wurde die Illusion des Systems in Stücke gesprengt
Ich habe bewusst den Begriff der Fata Morgana verwendet, denn der Angriff der Guerilla auf das Innenministerium am 1. Oktober war der Akt, mit dem diese Fata Morgana zerstört wurde. Es wurde wieder einmal deutlich, dass die Türkei keine Oase der Demokratie ist, sondern im Gegenteil ein Paradies für diejenigen, die alle möglichen Kriegsverbrechen gegen das kurdische Volk begehen und deren Herzen zur Wüste geworden sind. Die sofort verhängte Nachrichtensperre hat auch dieses Mal nicht funktioniert. Nicht nur Ankara und Istanbul, sondern die ganze Welt hörte die Wahrheit, die Rojhat Zîlan und Erdal Şahin mit lauter Stimme verkündeten. Rojhat und Erdal waren Fedai-Kämpfer der „Brigade der Unsterblichen“. Erst ein Jahr zuvor, am 26. September, hatte eine ähnliche Aktion stattgefunden. Damals wurden Sara Tolhildan und Rûken Zelal mit ihrer Aktion zur Stimme der Wahrheit. Auch damals gab es Nachrichtensperren und man begann sofort mit großangelegter Manipulation, um die Wahrheit und das Ausmaß der Guerillaoperation eiligst zu vertuschen. Eine Szene aus den Tagen damals blieb mir im Gedächtnis haften und ist es wert, dass man sie erzählt. Als der damalige Innenminister sagte: „Wir wissen genau über sie Bescheid, wir kennen sogar ihre Schuhgrößen“, gab es zweifellos Leute, die das glaubten, aber diejenigen, die die Aktion der beiden Kämpferinnen vom Balkon oder vom Fenster ihrer Wohnung aus beobachteten und mit ihren Handys filmten, konnten nicht anders als zu sagen: „Wahnsinn! Sie sprengen die Polizeiwache in die Luft!“ Das ist ein Beispiel dafür, wie die Wahrheit, wenn die Zeit gekommen ist, Wege findet, sich selbst zu erzählen.
Alle wurden gezwungen sich mit der Realität auseinanderzusetzen
Alle, die am Zerrbild des türkischen Faschismus festhielten, mussten sich dieses Mal, wenn auch widerstrebend, der Realität stellen. Diejenigen, die bisher wie hypnotisiert zu allem „Ja“ gesagt hatten, haben erkannt, dass sie einen falschen Traum vom falschen Reich geträumt hatten. Die Guerilla war weder am Ende, noch hatte die PKK ihre Handlungsfähigkeit verloren, noch waren die Schuhgrößen bekannt. In Wirklichkeit war die Türkei verarmt und korrumpiert worden, zu einem Land der Kriegsgewinnler und derer, die auf dem Blut der Menschen ein Sultanat errichten wollen. Die Türkei hatte sich durch die Praktiken des faschistischen Regimes in eine Wüste ohne Recht, Gerechtigkeit, Gleichheit und die Möglichkeit eines menschlichen Lebens verwandelt. Die Hauptverantwortlichen für diese Situation waren diejenigen, die währenddessen schwiegen und es vorzogen, die Augen zu verschließen.
Sara und Rûken, Rojhat und Erdal sagten denen, die die Augen vor den Kriegsverbrechen verschlossen haben, denen, die die Augen vor der Isolationsfolter verschlossen haben, dass man, wenn nötig, durch die Fenster eindringen und im Herzen der Hauptstadt landen, aber sich auf jeden Fall Gehör verschaffen werde.
Die Aktion hat gezeigt, welcher Quelle man trauen kann
An den Tagen nach der Aktion hatten wir betont, dass es sich um eine historische Aktion handelte. Die nachfolgenden Entwicklungen haben dies bestätigt. Insbesondere das Pressezentrum der HPG hat mit seinen qualifizierten Stellungnahmen und genauen Informationen die Auswirkungen der Aktion auf die aktuellen Entwicklungen unmittelbar reflektiert. Bemerkenswert an diesem Prozess war, dass selbst die für die Sicherheit in der Türkei verantwortlichen Institutionen und Organisationen auf die Aussagen des HPG-Pressezentrums warteten. Weder der MIT noch die Polizei oder die Militärpolizei waren in der Lage, Informationen weiterzugeben, bevor das Pressezentrum der HPG eine Erklärung über die Fedai-Aktion abgegeben hatte. Das heißt, dass selbst diejenigen, die dem durch Lügen und Unwahrheiten zum Leben erweckten türkischen Faschismus, Beifall zollten, am Ende des Tages an sich selbst zweifeln mussten. Das ist die schöpferische und zerstörerische Kraft der Wahrheit. Daher kann man jetzt schon sagen, dass sich diese Aktion langfristig auswirken und zu einem wichtigen Bruchpunkt im System des türkischen Faschismus werden wird.
Die von Rojhat Zîlan und Erdal Şahin durchgeführte Aktion hat auch die Antwort auf die Frage gegeben, welcher Quelle man trauen kann.
Den unverhältnismäßigen Krieg entlarven
Eines der drei Hauptziele der Aktion war es, den unverhältnismäßigen Krieg, den die türkische Armee gegen die Guerilla führt, zu entlarven. Mit „Verhältnis“ meinen wir nicht das Kräfteverhältnis. Die Guerilla hat längst die Fähigkeit erlangt, mit ihrem System der mobilen Einheiten gegen zahlenmäßig überlegene Armeen zu kämpfen. Was wir mit „Verhältnis“ meinen, besteht nicht in den F-16, den Aufklärungsflugzeugen oder Drohnen. Diese werden von der türkischen Besatzungsarmee seit Beginn des Krieges gegen die Guerilla eingesetzt. Vielmehr verkehrt die Guerilla all dies in ihren Vorteil. Die zahlenmäßige und technische Überlegenheit schlägt sich für die türkische Besatzungsarmee in Form von „Verlusten“ und „Opfern“ nieder. Die „Unverhältnismäßigkeit“, auf die die Fedai-Kämpfer Rojhat und Erdal aufmerksam machen wollten, besteht in den eingesetzten verbotenen Waffen und dem Giftgas. Allein im Aktionsmonat Oktober führte die türkische Armee nach Angaben des Pressezentrums der HPG 197 Angriffe mit Sprengstoff-Drohnen auf die Guerilla durch, 39 Mal mit chemischen Waffen, 137 Mal mit unkonventionellen Sprengstoffen. An jedem Tag im Oktober wurde ohne Unterbrechung ein unverhältnismäßiger Krieg gegen die Guerilla geführt.
Das türkische Militär begeht Kriegsverbrechen
Bilder der Giftgasangriffe, insbesondere auf den Girê Cûdî, erreichten in den vergangenen Tagen über Gerîla TV die Öffentlichkeit. Diejenigen, die das Vorgehen von Rojhat und Erdal verstehen wollen, sollten sich diese Bilder noch einmal ansehen. Sie sollen erkennen, wie und mit welchen Methoden das kolonialistische, faschistische Regime und seine Besatzungsarmee versuchen, den Krieg zu gewinnen, und welche Kriegsverbrechen sie begehen. Wer sich diese Bilder wirklich ansieht, wer hinschaut, die Kriegsbilanz der HPG liest, und sie gut versteht, der wird wieder einmal erkennen, was für ein unmoralischer Krieg gegen die Guerilla geführt wird. Diejenigen, die sehen, wie der Boden durch die eingesetzten Chemikalien verfault, diejenigen, die die Vernichtung der Lebewesen, die in diesem Boden existieren, mit ansehen, werden sie jemals wieder normal leben können? Die türkische Besatzungsarmee begeht Kriegsverbrechen, die nicht nur gegen alle internationalen Gesetze verstoßen, sondern auch alle Werte der Menschlichkeit verschlingen.
Die Verantwortung, das Heer der Wahrheit zu sein
Sind wir in der Lage, die Wahrheit ausreichend zu enthüllen, sind wir in der Lage, sie der Gesellschaft ausreichend zu erklären? Sind wir in der Lage, die uns zur Verfügung stehenden Mittel angesichts der Mittel der Macht, die versucht, selbst eine Aktion, die im Zentrum von Ankara stattfindet, unsichtbar zu machen, effektiv zu nutzen? Das ist genau das Problem, das ich ganz am Anfang des Artikels erwähnt habe: Die Wahrheit offenbart sich, wenn die Zeit gekommen ist, aber wir haben die Aufgabe, die Armee der Wahrheit zu sein. Deshalb ist es notwendig, diese Dinge nicht einmal, nicht tausendmal zu erklären, sondern so lange, bis alle die Wahrheit verstanden haben. Eine wichtige Frage ist: Was macht die Besatzungsarmee am Girê Cûdî, am Tepê Ortê in Metîna oder in Barzan, wo sie rein gar nichts verloren hat?
Der Verrat der PDK ist die größte Gefahr
Bis heute haben wir oft von Metîna, Zap und Avaşîn gehört, aber die Region Barzan taucht zum ersten Mal in der Oktober-Kriegsbilanz des Pressezentrums HPG auf. Nach einer kurzen Recherche fanden wir einige Informationen über Barzan: Barzan ist ein Gebiet, das von der PDK kontrolliert wird und in dem es keine Guerillaaktivitäten gibt. Nach den Informationen der HPG wurde die Region Barzan am 7. Oktober der türkischen Besatzungsarmee unterstellt. All dies zusammengenommen macht deutlich, dass der faschistische türkische Staat nun offen seine Expansionspolitik gegenüber Südkurdistan betreibt, und dass die PDK diese Politik aktiv unterstützt. Das gibt zu denken. Während mit dem Krieg gegen die Guerilla ein brutaler Krieg gegen das kurdische Volk stattfindet, weigert sich die PDK, ihren Verrat aufzugeben. Sie ist die größte Gefahr für die kurdischen Errungenschaften. Denn als ob die Kollaboration gegen die von der Guerilla befreiten Gebiete nicht schon genug wäre, übergibt die PDK die von ihr kontrollierten Gebiete in Südkurdistan an die türkische Besatzungsarmee. Damit hat sie eine neue Definition von Verrat geschaffen.