Der Ko-Vorsitz des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) und der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK) verurteilen die in letzter Zeit immer häufiger bekannt werdenden Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Kinder. Zuletzt vergewaltigte in Êlih (türk. Batman) ein Stabsunteroffizier eine 17-jährige Frau. Der Täter wurde kurz nach seiner Festnahme wieder auf freien Fuß gesetzt. Am Dienstag vergangener Woche versuchte ein türkischer Stabsunteroffizier in Şirnex (Şırnak) eine 13-Jährige zu missbrauchen. Die Tat konnte verhindert werden, da Nachbarn des Kindes durch Hilferufe aufmerksam wurden. Aber auch aus der Gesellschaft kommt es zu immer mehr Meldungen von Femiziden, Vergewaltigungen und Missbrauchsfällen. Die KCK erklärte dazu: „Es geht darum, den Willen der kurdischen Frau und so den Widerstand zu brechen.“
KJK: „Türkischer Faschismus betrachtet Frauenkampf als Bedrohung“
Die KJK betrachtet die Angriffe als eine Reaktion auf den starken Widerstand von Frauen. Sie schreibt in ihrer Erklärung: „Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Frauen. So wie auf der ganzen Welt sind auch die Frauen in Kurdistan die Vorreiterinnen des neuen Zeitalters und stehen für eine Lösung der schweren Probleme der Menschheit. Sie sind gleichzeitig die Vorhut des Aufstands des verleugneten und zur Vernichtung freigegebenen kurdischen Volkes und der Gesellschaft. Deswegen wurde der Freiheitskampf der kurdischen Frauen von Anfang als Bedrohung betrachtet und vom türkischen Faschismus ins Visier genommen.“
KCK: Vergewaltigung als Methode des Spezialkriegs
Die KCK schreibt zu den zunehmenden Fällen von sexualisierter Gewalt: „Bei einem Großteil der Fälle handelt es sich bei den Tätern um Offiziere, Unteroffiziere, Polizisten und Dorfschützer. Es sind von den Spezialkriegskräften organisierte und auf solche Angriffen dirigierte Agenten. Die Vergewaltigungen in Kurdistan haben allesamt politische Ziele. Aus demselben Grund, warum Prostitution und Drogenhandel in Kurdistan vom Staat gefördert werden, werden diese Vergewaltigungen begangen.“ Die KCK warnt vor der systematischen Zerstörung der kurdischen Gesellschaft und ihrer Kultur durch den Kapitalismus und den Spezialkrieg, der gegen die Kurdinnen und Kurden geführt wird.
KCK: Besatzer betrachten Vergewaltigung als ihr Recht
Weiter heißt es bei der KCK: „Diejenigen, welche die Herrschaft der AKP in Kurdistan umsetzen, agieren ganz offen als Besatzungstruppen. Die Offiziere des Spezialkriegs und die Polizei betrachten Kurdistan als besetztes Gebiet. Die Vergewaltigung von kurdischen Frauen wird als Recht des Schwertes der Besatzer betrachtet. Sie setzen Erdoğans Befehl um – er hat vor Jahren schon gesagt, ‚egal ob Frauen oder Kinder, tut das Notwendige‘“.
KJK: Angriff auf die Frau ist ein Angriff auf die Gesellschaft
Die KJK weist auf die Bedeutung des Angriffs hin: „Der Charakter der Besatzung greift auf den Körper, den Geist, die Gefühle, das Bewusstsein, ja sogar die Utopien der Frau zu. Die Besetzung der Frau ist die Besetzung der Gesellschaft. Die Versklavung der Frau ist die Versklavung der Gesellschaft. Den Willen der Frauen zu brechen bedeutet, den Willen der Gesellschaft zu brechen. Die Frau unter Herrschaft und Kontrolle zu bringen bedeutet, die Gesellschaft zu beherrschen. Erdoğan und Bahceli, wie auch die rassistischen Nationalisten, wissen das genau und bauen mit ihrer frauenfeindlichen Politik und Strategie genau darauf.“
KJK: Agenten des Staates bleiben straflos
Der Frauendachverband erklärt, der Staat werde nichts unternehmen, um die Täter zu bestrafen: „Die Täter wissen, dass sie vom Staat als dessen Agenten geschützt werden, dass ihre Taten keiner Untersuchung unterzogen werden und dass sie freigelassen werden, selbst wenn sie vor Gericht gestellt werden sollten. Sie sagen es bereits jetzt ganz offen.“
„Erdoğan hat Pandemie genutzt, um Gesellschaft mit Vergewaltigern zu überschwemmen“
Die KJK schreibt in Bezug auf das während der Pandemiezeit durchgesetzte Vollzugsgesetz: „Erdoğan will unter seinem Kommando eine sexistische Gesellschaft schaffen, wo es auch immer Vergewaltiger, Drogenhändler, Frauenmörder und Kindervergewaltiger gab, er hat sie während der Pandemiezeit auf die Gesellschaft losgelassen. Mit einem Klima der Unterdrückung und Gewalt hat er die Straßen, Haushalte, Unternehmen und Arbeitsplätze zum Schauplatz des patriarchalen Terrors gemacht.“
KCK: Erhebt euch gegen diese Angriffe
Die KCK betont, die Vergewaltigungen dürften nicht als Einzelfälle betrachtet werden, sondern als Angriff gegen das ganze Volk. Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans ruft zum Widerstand auf: „Lasst uns zusammen gegen diese Angriffe auf unsere historischen Werte vorgehen. Lasst uns Inhaftierungen und Vergewaltigungen verhindern. Lasst uns den Kolonialfaschisten zeigen, dass wir die Hände, die sich nach den kurdischen Frauen ausstrecken, brechen werden.“
Angriffe auf Istanbul-Konvention legitimieren patriarchale Gewalt
Die KJK berichtet von einer permanenten Verschärfung des patriarchalen Diskurses durch das AKP/MHP-Regime: „Nach der Erklärung der AKP, die Istanbul-Konvention zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen aufkündigen zu wollen, erreichten die Verschleppungen, Femizide, die Folter an Frauen auf offener Straße in der Türkei und Kurdistan eine neue Dimension. Der Hass auf Frauen hat mit den aktuellen Femiziden einen neuen Gipfel erreicht. Es findet ein unerklärter Krieg gegen Frauen statt. Sie haben keinerlei Sicherheit mehr in ihrem Alltagsleben. Das zeigt sich von Muğla über Manisa und Istanbul bis nach Amed. Die staatliche Gewalt und die Männergewalt nähren sich gegenseitig. Die Männer wissen, dass sie straflos ausgehen. Deswegen schlagen sie Frauen, töten und entführen sie.
Der türkische Staat ist die organisierte Form von Männergewalt
Diese räuberische, gewalttätige und repressive Männermentalität hat sich im Staat organisiert und die Überwindung der aus dieser Haltung entspringenden Gewalttaten bedeutet ebenfalls die Überwindung des Staates. Es ist sehr wichtig, dass dies alle Frauenorganisationen zuerst begreifen und dies in die Gesellschaft tragen. Aber auch für den Kampf der Frauen um individuelle Freiheit und Gleichheit ist diese Tatsache von größter Bedeutung.“
KJK ruft zur Selbstverteidigung auf
Die KJK ruft zur Verstärkung der Selbstverteidigung und zum Vorgehen gegen Vergewaltiger auf und fährt fort: „Es ist unser aller Hauptaufgabe, uns im pausenlosen Kampf gegen die Gewalt an Frauen, gegen die Femizide und die Vergewaltigermentalität und ihre Folgen in Solidarität zu vereinen. Dies muss unsere Basisstrategie sein. In diesem Verständnis muss der Kampf mit verschiedensten Methoden und kreativen Aktionen ausgeweitet werden. Mit einer radikalen Haltung gegen den sexistischen Staat und die traditionelle Mentalität der Gesellschaft, mit einem moralischem Bewusstsein und fester Entschlossenheit werden die Frauen die führenden Kräfte des 21. Jahrhunderts und so mit Sicherheit den Sieg erringen.“