KCK fordert von Bagdad Haltung gegenüber der Türkei

Nach den jüngsten Drohnenangriffen auf Şengal hat die KCK den Irak zu einer entschiedenen Haltung gegenüber der Türkei aufgefordert. Der UNO wirft der Dachverband der kurdischen Bewegung „Tatenlosigkeit“ angesichts Verbrechen an den Eziden vor.

Nach den jüngsten Drohnenangriffen auf das ezidische Kerngebiet Şengal hat der Dachverband der kurdischen Befreiungsbewegung den Irak zu einer entschiedenen Haltung gegenüber der Türkei aufgerufen. „Die Regierung von Mustafa al-Kadhimi betont bei jeder Gelegenheit die Notwendigkeit eines sicheren und stabilen Şengals. Doch bei Angriffen des türkischen Staates auf die Region und die Bürgerinnen und Bürger des Iraks hüllt sich Bagdad in Schweigen. Dieses Schweigen bedeutet nichts anderes als eine Zustimmung für die Tötung von Angehörigen der ezidischen Gemeinschaft“, kritisiert die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK).

Türkei im Wahn neoosmanischer Träume

Am Mittwoch hatte eine Killerdrohne der türkischen Luftwaffe in der Kleinstadt Sinûnê mehrmals das Gebäude des Volksrats bombardiert. Der zwölfjähriger Salah Nassir wurde getötet, sieben weitere Personen, darunter Mitglieder des Autonomierats sowie des Volksrats von Sinûnê und ein Korrespondent von Çira TV, wurden teils schwer verletzt. Aus Bagdad erfolgte bislang keine Reaktion, die KCK ist empört: „Dass die Al-Kadhimi-Regierung zu diesen schweren Angriffen auf die Souveränität des Iraks und die Sicherheit der Bevölkerung keinerlei Stellungen bezieht, steht im Einklang mit ihrer Haltung zu den Besatzungsangriffen des türkischen Staates auf Südkurdistan. Diese Ignoranz führt nur dazu, dass die Türkei in ihrem Vorgehen bestärkt wird. Als Bewegung kennen wir den türkischen Kolonialismus sowohl historisch als auch politisch sehr genau. Der türkische Besatzerstaat ist im Wahn neoosmanischer Träume und will irakisches Territorium zersplittern und annektieren. Das Schweigen von Al-Kadhimi zur Besatzung irakischen Bodens und zu der Ermordung irakischer Bürgerinnen und Bürger ermutigt Ankara zu weiteren Verbrechen. Wir rufen daher die politischen und gesellschaftlichen Kräfte des Iraks dazu auf, gegen diese Angriffe Position zu beziehen und nationale sowie internationale Mechanismen in Gang zu setzen, mit denen die türkische Aggression gestoppt und die Besatzungspläne zunichte gemacht werden können.“

UNO sieht tatenlos zu

In Anbetracht des Völkermords der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) an den Ezidinnen und Eziden 2014 appelliert die KCK ebenso an die Vereinten Nationen (UN) und verbundene Einrichtungen wie die UN-Hilfsmission im Irak (UNAMI). Auch sie würden tatenlos zusehen, wenn die ezidische Gesellschaft und ihre Überlebenden des Völkermords Opfer von Kriegsverbrechen des türkischen Staates in Şengal werden. „Das macht diese Organisationen zu Mitverantwortlichen dieser Taten“, erklärt die KCK und betont: „Das systematische Schweigen der UN gegenüber Angriffen bestärkt all jene Kräfte, die diese Massaker ausführen. Die Flugzeuge und Drohnen des türkischen Staates nutzen den irakischen Luftraum, der unter der Kontrolle der USA steht und für Luftschläge freigegeben wird. Mehrfach ist daher auf die US-Teilhabe an der Verantwortung für tödliche Angriffe der Türkei hingewiesen worden. Auch für den Luftschlag auf Sinûnê und das dort beabsichtigte Massaker des türkischen Staates haben gewisse Kräfte den irakischen Luftraum geöffnet und sich so mitverantwortlich gemacht.“

Warnung wegen möglicher „Spaltung des Iraks“

Die Massaker und Kriegsverbrechen, die die Türkei gegenüber dem kurdischen Volk verübt, lassen sich nicht durch Ignoranz verhindern sondern nur, indem den „Privilegien und der Sonderbehandlung“ des türkischen Staates ein Ende bereitet wird, hebt die KCK hervor. Internationale Akteure, nicht zuletzt die USA, seien aufgefordert, die antikurdische und genozidale Mentalität des türkischen Staates nicht länger zu unterstützen und Vorkehrungen gegen Angriffe wie diese zu treffen, die zu einer „Spaltung des Iraks“ führten.

PDK gleichermaßen für Angriffe auf Eziden verantwortlich

Als weitere Verantwortliche für die kriegerische Aggression gegen Şengal und seine Bevölkerung sieht die KCK die Demokratische Partei Kurdistans (PDK). Es sei allseits bekannt, dass die PDK eine besondere Rolle bei allen Angriffen auf die Ezidinnen und Eziden spielt. „Die PDK versucht ihre Wut darüber, dass der 73. Ferman [Völkermord] missglückt ist, dadurch zu lindern, dass sie den türkischen Staat das ezidische Volk und dessen Führungspersönlichkeiten ermorden lässt. Das Ezidentum und seine Angehörigen, die nicht vernichtet werden konnten, sind heute zu einem Albtraum für die PDK geworden. Außer dem türkischen Staat, der PDK und dem IS gibt es keine anderen Kräfte, die sich vor der Selbstverwaltung und Selbstverteidigung der ezidischen Gemeinschaft fürchten und sich ihnen gegenüber feindlich verhalten. Genau dieselbe Rolle, die die PDK bei den Angriffen auf die Freiheitsguerilla Südkurdistans spielt, nimmt sie auch bei den Angriffen des türkischen Staates auf die Eziden ein. Wir rufen daher unser Volk in Kurdistan, insbesondere unser südkurdisches Volk, dazu auf, gegen diese von der PDK begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Stellung zu beziehen. Wir möchten zudem darauf hinweisen, dass eine schnelle Reaktion auf die genozidalen Angriffe auf Şengal, Mexmûr, Südkurdistan, Rojava und andernorts wichtig ist, um sie ins Leere laufen zu lassen.“

Entschlossene Position gegen die türkische Aggression beziehen

Mit Blick auf das Kriegsgeschehen in Südkurdistan im Zusammenhang mit der seit Mitte April andauernden Invasion der Türkei erklärt die KCK: „Das faschistische Erdogan-Regime steht heute kurz vor dem Zusammenbruch. Um seine Existenz zu verlängern, wird es seine brutalen Angriffe und Massaker an unserem Volk und den anderen Gemeinschaften der Region fortsetzen. Wir fordern von der Öffentlichkeit in Kurdistan und dem Irak, eine entschlossene Position gegen die türkische Aggression zu beziehen und so ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Die Besatzungs- und Völkermordangriffe der Türkei in Kurdistan und dem gesamten Nahen Osten haben das Erdogan-Regime heute an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Um seine Hegemonie und kolonialistische Politik auszuweiten und einen neoosmanischen Staat zu etablieren, setzt der türkische Staat seine Angriffe auf unser Volk überall fort. Es ist allseits bekannt, dass der türkische Staat in diesem Zusammenhang den Plan verfolgt, Südkurdistan – inklusive Mosul und Kerkûk – zu besetzen. Insbesondere mit der Hilfe der kollaborierenden PDK versucht Ankara seinen Einfluss bis tief ins Landesinnere des Iraks auszuweiten und somit seine Besatzungspläne Schritt für Schritt Wirklichkeit werden zu lassen.

Gegen die Besatzung Kurdistans leistet die Guerilla der PKK einen selbstlosen Widerstand. Dieser Kampf hat die Willenskraft des türkischen Staates gebrochen. Als Reaktion darauf setzt er chemische Waffen gegen die Guerilla ein. Trotz all der unmenschlichen Methoden, die eingesetzt werden, hat der türkische Staat auch mit Hilfe der PDK nicht seine erwünschten Ziele erreicht. Seine Besatzungspläne sind ihm aufgrund der schweren Schläge durch die Guerilla im Hals stecken geblieben.“