Istanbul: Dutzende Anzeigen wegen Chemiewaffenprotest

In Istanbul sind 37 Personen bei einer Demonstration gegen den Einsatz von Chemiewaffen durch die Türkei in Südkurdistan festgenommen worden. Gegen alle Betroffenen wurde Anzeige wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz erstattet.

In der türkischen Metropole Istanbul sind am Donnerstag dutzende Personen bei einer Demonstration festgenommen worden. Die Polizei ging teilweise gewaltsam vor und führte insgesamt 37 Festnahmen durch. Gegen alle Betroffenen, darunter der Istanbuler HDP-Vorsitzende Ferhat Encü, wurde Anzeige wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das türkische Versammlungsgesetz erstattet. Nach einem Verhör wurden sie wieder freigelassen.

Zu der Demonstration im europäischen Stadtteil Şirinevler hatte ein breites Bündnis aus politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen aufgerufen, darunter die HDP, deren Schwesterpartei DBP, die Frauenbewegung TJA, Vereine der Gefangenensolidarität und das kurdische Kulturzentrum NÇM. Hintergrund des Protests ist der fortgesetzte Einsatz international geächteter Chemiewaffen durch die türkische Armee bei der Invasion in der Kurdistan-Region Irak (KRI).

Seit April dauert der groß angelegte Besatzungsangriff des NATO-Staates Türkei im südlichen Teil Kurdistans bereits an. Seit Monaten berichten die Volksverteidigungskräfte (HPG) von einem massiven Gebrauch chemischer Kampfstoffe, die zum Tod zahlreicher Kämpferinnen und Kämpfer der Guerilla geführt haben sollen. Erst am Dienstag hatten die HPG die Namen von 17 ihrer Mitglieder veröffentlicht, die mutmaßlich mit Chemiewaffen ermordet wurden, und der internationalen Gemeinschaft vorgeworfen, Verantwortung für die Ausweitung der Chemiewaffeneinsätze der Türkei zu tragen. Auch bei der Invasion 2021 in Südkurdistan gab es wiederholt Hinweise auf den Einsatz von verbotenen Kampfstoffen. Die internationale Gemeinschaft ignoriert diese Vorwürfe, obwohl Chemiewaffen durch eine UN-Konvention seit 1997 verboten sind.

Proteste gegen die türkischen Chemiewaffenangriffe gab es am Donnerstag nicht nur in Istanbul. Auch in Adana, Mersin und Izmir sowie in Amed (tr. Diyarbakır), Êlih (Batman), Dersim, Riha (Urfa), Dîlok (Gaziantep), Şirnex (Şırnak), Xarpêt (Elazığ), Colemêrg (Hakkari), Gever (Yüksekova) und Semsûr (Adıyaman) gingen Menschen auf die Straße, um unter dem gemeinsamen Motto „Chemiewaffenangriffe sind Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu demonstrieren. Gefordert wurde eine angemessene Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft angesichts des Einsatzes dieser Kampfstoffe durch die Türkei und ein Hinwirken darauf, Verstöße gegen das Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) zu ahnden. International finden seit Tagen ebenfalls Proteste, Aktionen, Demonstrationen und Kundgebung statt.

Titelfoto: Eine Aktivistin der „Friedensmütter“ am heutigen Tag bei einer Kundgebung in Amed.