Intensive Aufklärungsflüge über Camp Mexmûr
Über dem kurdischen Flüchtlingscamp Mexmûr kreisen Aufklärungsmaschinen unbekannter Herkunft.
Über dem kurdischen Flüchtlingscamp Mexmûr kreisen Aufklärungsmaschinen unbekannter Herkunft.
Über dem kurdischen Geflüchtetenlager Mexmûr im Norden des Iraks finden intensive Luftaktivitäten statt. Seit dem Nachmittag kreisen Aufklärungsdrohnen unbekannter Herkunft ohne nennenswerte Unterbrechung über dem Camp und lösen Besorgnis bei der Bevölkerung aus. Die Lagerverwaltung äußerte am Sonntag, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um türkische Maschinen handelt.
In Camp Mexmûr, das sich südwestlich von Hewlêr (Erbil) in einem zwischen der Autonomieregierung der Kurdistan-Region Irak (KRI) und der irakischen Zentralregierung umstrittenen Gebiet befindet, leben etwa zwölftausend Menschen. Ein Großteil der Bevölkerung wurde in den 1990er Jahren im Zuge der antikurdischen „Aufstandsbekämpfung“ und einer Politik der verbrannten Erde – unter dem Vorwand, die PKK zu bekämpfen, wurden damals etwa 3.000 kurdische Dörfer entvölkert oder niedergebrannt – vom türkischen Staat vertrieben. Nach einer mehrjährigen Odyssee und Aufenthalten in verschiedenen Camps haben die Menschen 1998 am Rand der Wüste das Lager Mexmûr gegründet. Sie bilden damit die größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit.
Drohnenangriffe auf Flüchtlinge
Der Türkei ist das basisdemokratisch organisierte und selbstverwaltete Geflüchtetenlager Mexmûr ein Dorn im Auge. Ankara kriminalisiert das Camp als „Brutstätte“ der kurdischen Arbeiterpartei PKK, das „gesäubert“ werden müsse, und greift es immer wieder aus der Luft an. Vergangenen Oktober hatte der türkische Staat gleich mehrere Drohnenangriffe auf Mexmûr verübt. Getroffen wurden unter anderem eine Moschee und ein Haus, die türkische Armeeführung sprach von „Terroristenlagern“. Vier Zivilpersonen, darunter zwei Frauen, waren bei diesen Angriffen verletzt worden. Ein weiterer Mexmûr-Bewohner wurde im selben Monat bei einem gezielten Drohnenschlag der türkischen Armee in Ranya getötet.
Offiziell unter UN-Schutz
Offiziell steht Mexmûr samt seinen Bewohner:innen unter dem Schutz und der Kontrolle des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR). Praktisch ist die Organisation aber nur nominell präsent. Sie verließ das Lager bei den Angriffen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Jahr 2014 und kehrte danach nicht mehr zurück. Die Bevölkerung des Lagers wirft dem UNHCR deshalb vor, seine Pflichten gegenüber Mexmûr zu vernachlässigen. Seit 2019 ist das Camp einem Embargo der KRI-Regierung ausgesetzt, die von der Ankara-treuen Barzanî-Partei PDK dominiert wird. Im Frühjahr leisteten die Bewohnerinnen und Bewohner von Mexmûr zwei Wochen lang Widerstand gegen eine Militarisierung ihres Camps durch das irakische Militär, die von Ankara und Hewlêr forciert worden war.