„Das HDP-Verbot ist Anlass für uns, den Widerstand auszuweiten“

Der HDP droht in der Türkei die Schließung, zu Newroz haben Millionen Menschen dagegen protestiert. Für Politikerinnen und Politiker aus Wan ist das Verbotsverfahren ein Anlass, den Widerstand auszuweiten.

Vertreter*innen verschiedener Parteien in Wan (tr. Van) haben sich gegenüber ANF zum drohenden Verbot der Demokratischen Partei der Völker (HDP), der Isolation von Abdullah Öcalan und zum vergangenen Newroz-Fest geäußert.

Ümit Dede, rechtspolitischer Sprecher der HDP, kritisiert die Anklageschrift im Verbotsverfahren gegen die Partei: „Wenn das die eigentliche Anklage sein soll, ist es eine Schande für das türkische Recht. Es ist bedenklich, dass die Generalstaatsanwaltschaft bei der Vorbereitung der Anklage so schlampig vorgeht. Die Gründe, auf denen die Anklageschrift beruht, sind schon längst hinfällig. Es werden sogar Verfahren als vermeintliche ‚Beweise‘ herangezogen, in denen die Betroffenen schon lange freigesprochen wurden. Darüber hinaus sind 90 Prozent der in der Anklageschrift enthaltenen Anschuldigungen noch im Stadium des Ermittlungsverfahrens. Daher wird in diesem Zusammenhang auch die Unschuldsvermutung verletzt."

Unseren Weg noch entschlossener fortsetzen“

Weiter führt Dede aus: „Zu Selahattin Demirtaş und Sırrı Süreyya Önder hat das Verfassungsgericht eine Rechtsverletzung festgestellt und die Urteile verworfen. Bei einigen unserer Freundinnen und Freunde wurden Verfahren aus einer Zeit herangezogen, als die HDP noch gar nicht existierte. Sogar die Reden von Gewerkschaftern wurden in die Anklageschrift aufgenommen. Es ist in der Türkei üblich geworden, dass lokale Gerichte zum Organ einer politischen Partei werden, aber diese abschließende Anklageschrift, die vom Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs vorbereitet wurde, ist beschämend für die Türkei. Wir haben es immer wieder gesagt und sagen es erneut. Es handelt sich um eine Methode, die bereits in der Vergangenheit ausprobiert wurde, aber nicht funktioniert hat. Unser Volk hat zu Newroz erneut sein Vertrauen in die HDP und unseren Kampf in allen Provinzen Kurdistans und der Türkei unter Beweis gestellt. Wir und die Massen, die uns unterstützen, lassen sich nicht demoralisieren. Ein Verbot wird nichts anderes als ein weiterer Grund für uns sein, unseren Weg noch entschlossener fortzusetzen."

Was durch Wahlen nicht erreicht wurde, soll die Justiz regeln“

Der Vorsitzende der IÖP (Menschenrechts- und Freiheitspartei), Mehme Kamaç, spricht über die multible Krise, in der die Türkei steckt: „Es herrscht eine Wirtschaftskrise im Land und auf internationaler Ebene sind die Beziehungen zu Europa und den USA sehr schlecht. Das liegt an der kurdischen Frage. Die Türkei hat keine Innen- und Außenpolitik, ihre gesamte Politik zielt darauf ab, kurdische Errungenschaften zu verhindern. Das Vorgehen bei der Festnahme von Faruk Ömer Gergerlioğlu zeigt die Notlage der Türkei. Die politische Krise verschärft sich. Als IÖP wird uns seit drei Jahren die Zulassung durch das Innenministerium verweigert. Dieselbe Regierung, welche die IÖP nicht anerkennt, will die HDP zu verbieten. Es handelt sich um ein politisches Verfahren, kein juristisches. Das Regime will die Gegner, die es durch Wahlen nicht besiegen konnte, mit der Waffe der Justiz schlagen. Trotz des herrschenden Polizeistaatsdenkens ist das kurdische Volk zu Newroz auf die Straßen und Plätze geströmt und hat der Regierung und der ganzen Welt seine Stärke gezeigt.“

Newroz war eine Botschaft an alle“

Ejder Ekinci, Mitglied des HDP-Parteirats, erklärt: „Während das diktatorische AKP/MHP-Regime in der vergangenen Woche versucht hat, die kurdische politische Bewegung zu vernichten, gingen Hunderttausende auf die Straßen. Hunderttausende feierten Newroz. Damit reagierte das kurdische Volk deutlich auf den Versuch, die HDP verbieten zu lassen. Unsere Freundinnen und Freunde in den Kerkern wehren sich seit 116 Tagen mit einem Hungerstreik. In allen vier Teilen Kurdistans leisten die Menschen mit großer Entschlossenheit Widerstand gegen die Isolation. Ihr Ruf nach Freiheit und ihr Kampf gehen weiter.“

Der Ko-Vorsitzende des HDP-Provinzverbands von Wan, Fikret Doğan, sagt: „Wie Sie wissen, richtet sich die Isolation, die Herrn Abdullah Öcalan auferlegt ist, nicht nur gegen ihn, sondern gegen die gesamte Bevölkerung Kurdistans und des Mittleren Ostens. An Newroz hat unser Volk gezeigt, dass es die Isolation niemals akzeptieren wird. Die Antwort, die das Volk von Wan gegeben hat, ist unbestreitbar. Sie lautet: ‚Wir stehen gegen die Isolation auf und unterstützen den Hungerstreik‘. Wir sind geehrt und stolz auf die Haltung unseres Volkes.“

Niemand kann die Hoffnung einsperren“

Die Ko-Vorsitzende des Provinzverbands der Partei der Demokratischen Regionen (DBP) in Wan, Gülderen Varlı, spricht über die Bedeutung der HDP: „Die HDP ist die Partei von Millionen von Menschen. Unser Volk hat deutlich gemacht, dass es nicht nachgeben wird, dass es weiter seine eigenen Ideen in den Häusern und auf den Straßen leben und laut herausrufen wird. Die HDP ist kein Gebäude, kein Plakat, die HDP ist eine Welt der Ideen. Zu Newroz haben die Menschen auf den Plätzen ein deutliches Zeichen gegen die Isolation gesetzt. Es wird nie gelingen, uns durch Isolation und Festnahmen zu unterwerfen. Die HDP ist Hoffnung und niemand kann diese Hoffnung einsperren. Das muss die ganze Türkei und die Welt begreifen. Die HDP ist die Hoffnung auf Frieden, auf Geschwisterlichkeit und Freiheit.“

Ökkeş Kava, Mitglied des Parteirats der DBP, fügt hinzu: „Der faschistische AKP/MHP-Block befindet sich im In- und Ausland in einer schweren Zwangslage. Um sich daraus zu befreien, ist ein Verbotsverfahren gegen die HDP eingeleitet worden. Die Antwort darauf ist auf der Newroz-Feier in Wan erfolgt. Trotz aller Hindernisse, trotz aller Schikanen am Eingang, kamen die Menschen auf das Gelände und protestierten gegen Isolation und Verbot. Unser Volk hat sich bis heute nicht zurückgezogen und immer gezeigt, dass es nicht nachgeben wird. Es protestiert gegen die Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan. Wir haben wieder gesehen, dass er der erste Ansprechpartner für eine Lösung ist. Wenn es zu Verhandlungen kommt und Gespräche mit Herrn Öcalan stattfinden, dann wird im Mittleren Osten jeden Tag Newroz sein.“