Gedenken an die Toten von Xanesor
In Xanesor ist der Toten gedacht worden, die beim Angriff der PDK vor fünf Jahren ums Leben gekommen sind. „Damals wie heute gilt: Der Verrat bleibt unvergessen“, sagte die Mutter eines Gefallenen.
In Xanesor ist der Toten gedacht worden, die beim Angriff der PDK vor fünf Jahren ums Leben gekommen sind. „Damals wie heute gilt: Der Verrat bleibt unvergessen“, sagte die Mutter eines Gefallenen.
Das ezidische Städtchen Xanesor in Şengal am 3. März 2017: Eine mit bewaffneten Spezialeinheiten der südkurdischen Regierungspartei PDK besetzte Panzerkolonne aus mehreren Dutzend Fahrzeugen, darunter auch solche vom Typ Dingo aus Deutschland, versucht von Sinunê kommend die Stellungen der ezidischen Selbstverteidigungseinheiten YBŞ zu überrennen, um in die Kleinstadt einzudringen. Vor Ort befinden sich auch Kämpfer der Volksverteidigungskräfte (HPG), die sich damals noch aufgrund des im August 2014 vom IS verübten Genozids in Şengal zur Unterstützung der YBŞ in der Region aufhalten. Zwei von ihnen stellen sich einem Dingo entgegen, um die Panzerkolonne aufzuhalten: Çekdar Sinan und Orhan Baran. Doch der Radpanzer drängt sie weg. Wenig später sind beide HPG-Kämpfer tot. Nach Angaben des Journalisten Rojwan Karakoçan, der die Szene mit seiner Kamera festhält, sind die Schüsse aus dem deutschen Panzer gefallen. Kurz danach brechen Auseinandersetzungen aus, die zum Tod von neun weiteren Menschen führen werden: sieben YBŞ-Mitglieder, die TAJÊ-Aktivistin Nazê Naif und die Journalistin Nûjiyan Erhan, die von einem Sniper gezielt in den Kopf getroffen wird.
Schweigeminute für die Toten
Der Verrat bleibt unvergessen
Seit diesem dunklen Tag sind fünf Jahre vergangen. Um der Toten zu gedenken, hat in Şengal eine Trauerfeier stattgefunden. Es kamen viele Menschen aus der gesamten Region, Vertreterinnen und Vertreter der Autonomieverwaltung, der Zivilgesellschaft und die ezidischen Geistlichen. Nach einer Schweigeminute trat Meyan Nasir vom Angehörigenrat für Gefallene als erste ans Pult des Veranstaltungssaals des Volksrats von Xanesor, um eine Rede zu halten. „Damals wie heute gilt: Der Verrat bleibt unvergessen“, sagte die Mutter des YBŞ-Kämpfers Şoreş, der beim Angriff von Xanesor ums Leben kam. „Dieser Überfall war eine Fortsetzung des Genozids und Unterstützung für den IS. Denn er wurde von jenen Kräften ausgeführt, die sich der Verteidigung des ezidischen Volks bei dem Ferman im August 2014 durch Flucht entzogen haben. Stets werden sie uns als Verräter in Erinnerung bleiben. Und ewig werden wir jenen Kämpfenden dankbar sein, die unserer Gemeinschaft zur Hilfe eilten“, so Nasir.
Mütter gefallener Kämpfer in den vordersten Reihen
Auch die nächste Rednerin Kinê Xidir, eine Aktivistin der ezidischen Frauenbewegung TAJÊ, thematisierte die Umstände vor dem IS-Überfall auf Şengal. Als die Terrormiliz vor siebeneinhalb Jahren in das ezidische Kerngebiet einrückte, zogen sich die rund 12.000 in der Region stationierten Peschmerga der PDK ohne Vorwarnung zurück und überließen die Bevölkerung schutzlos den Islamisten. „Der Angriff von Xanesor reiht sich ein in die Kette des großen Unrechts, das unserem Volk angetan wurde. Denn er hatte zum Ziel, die unter dem Eindruck des Völkermords aufgebauten Selbstverwaltungsstrukturen in Şengal zu zerstören.“ Diese Absicht bestehe weiterhin, daher sei „Vorsicht geboten“, sagte Xidir und verwies auf das 2020 auf Druck der USA und der Türkei zwischen Hewlêr und Bagdad getroffene Şengal-Abkommen zur Verteilung der Zuständigkeiten in der Region. Der Plan sieht vor, dass alle Einrichtungen der Selbstverwaltung in Şengal aufgelöst werden.
Die Ezid:innen sind heute eine organisierte Gemeinschaft
Im Namen der Autonomieverwaltung kam Xelîl Hecî zu Wort. Er würdigte den Kampf der Gefallenen bei der Verteidigung Şengals und den Einsatz der Bevölkerung beim Aufbau der demokratischen Selbstverwaltung. „Nach Dutzenden Völkermorden sind wir heute eine organisierte Gemeinschaft, die bewiesen hat, dass sie in der Lage ist, sich selbst zu verwalten. Unsere über die Jahre gewachsenen, hart erkämpften Strukturen werden wir nicht einreißen lassen. Wir sind stark und wir werden unser Recht auf Selbstbestimmung verteidigen“, so Hecî.
Nach den Reden wurde eine biografische Dokumentation über die Gefallenen gezeigt, die beim Angriff auf Xanesor ums Leben gekommen sind. Im Veranstaltungssaal ist zudem eine Ausstellung über den Überfall und die Toten gezeigt worden.