Meryem Soylu zu über sechs Jahren Haft verurteilt

Die 79-jährige Meryem Soylu wurde aufgrund ihrer Arbeit im Verein der Angehörigen von Gefallenen (MEBYA-DER) zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ verurteilt.

Vor dem 5. Schwurgericht von Diyarbakır ging am Donnerstag der Prozess gegen Meryem Soylu mit der Verurteilung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten zu Ende. Die 79-Jährige wurde auf der Grundlage ihrer Arbeit im legalen Solidaritätsverein der Angehörigen von Gefallenen (MEBYA-DER) wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ verurteilt.

Soylu wird vorgeworfen, Vorstandsmitglied von MEBYA-DER und „Kader“ in der kurdischen Frauenorganisation Kongra Jinên Azad (KJA) gewesen zu sein. So wurde die Vereinsmitgliedsliste als „Beweismittel“ eingeführt. Weiterhin ist im Urteil aufgeführt, sie habe an Beisetzungen und Trauerfeiern für gefallene Guerillakämpfer:innen teilgenommen und „eine Rolle im ideellen Flügel der Organisation gespielt“. MEBYA-DER stehe in organischer, hierarchischer Beziehung zur PKK. Daher sei ihre Mitgliedschaft als „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ zu werten.

Soylus Anwalt Muhittin Muğuç widersprach den Behauptungen der Staatsanwaltschaft und erklärte zum Verein: „Der Verein wurde vor allem aufgrund der Angriffe auf Tote und Gräber in der Türkei gegründet. Meine Mandantin handelte nicht im Namen irgendeiner Organisation, während sie innerhalb des Vereins tätig war. Die Kundgebungen, an denen sie teilnahm, fallen in den Bereich der Meinungsfreiheit.“ Dennoch wurde die 79-Jährige verurteilt. Für sie besteht nun die Möglichkeit, binnen einer Woche Widerspruch einzulegen.

MEBYA-DER im Fokus der Kriminalisierung

Gegen den Verein läuft eine massive Kriminalisierungswelle. Am Mittwoch wurde bekannt, dass gegen Anwält:innen der Plattform der freien Jurist:innen (ÖHD) ebenfalls ein Verfahren wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ aus ähnlichem Anlass eingeleitet worden war. So wurden die Anwält:innen vor allem wegen der Vertretung des Solidaritätsvereins der Angehörigen von Gefallenen in Klagen wegen der Zerstörung von Gräbern von Kämpfer:innen der HPG und YJA Star verhört. Außerdem ging es um die Aktivitäten von MEBYA-DER und die Mitgliedschaft der Anwält:innen im Verein.

Was ist MEBYA-DER?

MEBYA-DER ist ein Solidaritätsverein für Menschen, die Angehörige im kurdischen Befreiungskampf verloren haben, und steht seit geraumer Zeit im Fokus der staatlichen Repression in der Türkei. „Hilfs- und Solidaritätsverein für Menschen, die ihre Angehörigen in der Wiege der Zivilisationen verloren haben“ lautet der volle Name des Vereins, der Zweigstellen in mehreren kurdischen Städten unterhält. Der türkische Staat macht gefallene Guerillakämpfer:innen zum Mittel der psychologischen Kriegsführung, indem Gräber verwüstet und Leichname von Gefallenen misshandelt oder verstümmelt werden. MEBYA-DER ist eine der Institutionen, die sich direkt gegen diese Politik stellt.